Zu den Vorgängen in Trier am Schmutzigen Donnerstag und Angriffen auf Polizisten schreibt dieser Leser:
Was wir Deutsche in Chemnitz und in anderen Städten der neuen Bundesländer, vor dem Berliner Reichstag, aber auch in Stuttgart miterleben mussten, haben wir inzwischen wohl vergessen. Weit überraschter, haben die meisten von uns auf das reagiert, was sich an „Weiberfasnacht“ in der ehrwürdigen und bedächtigen Bischofsstadt Trier abgespielt hat: Einen breiten und brutalen Ausbruch jugendlicher Gewalt, der alle bisher erlebten Angriffe auf die Polizei überstiegen hat. 40 Heranwachsende sind auf sieben Beamte mit Flaschen, Steinen, Einkaufswagen und Schaufeln losgegangen und haben mehrere verletzt.
Wie kam es dazu? Man könnte den Tätern ein unkontrolliertes Vorgehen unterstellen, einen von der Polizei provozierten Zornesausbruch. Dafür aber gab es weder einen Anlass noch einen Beweis. Nichts deutete auf Absprachen der Angreifer hin. Eher finden wir in der Plötzlichkeit des Übergriffs einen Hinweis auf seine Entstehung. Jugendliche folgten dem Beispiel einzelner Gewaltbereiter, sahen die Chance für eine aufsehenerregende Aktion und bedrängten die Polizisten. Und in der Tat: Der Angriff fiel sofort in sich selbst zusammen, als einer der angegriffenen Beamten Warnschüsse abgab. Da zerstreute sich die Meute der offenkundig erschreckten und vom eigenen Tun überraschten Angreifer. Im ersten Augenblick kam es nur zu zwei Festnahmen.
Sehr viel mehr wurden es auch nicht in der folgenden Woche nach dem Aufschrei der Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihres Innenministers Michael Ebling. Sie forderten eine strenge Bestrafung der Angreifer. Das jedoch wird sich kaum verwirklichen lassen – trotz einiger Videoaufnahmen.
Wäre es aber auch sinnvoll? Dagegen spricht, dass die Geflohenen mit dem Schrecken davongekommen sind. Sie haben damit ihre Schuld anerkannt. Die Polizei hingegen hat ihr Ansehen durch die Warnschüsse wiederhergestellt. Sollte es zu Urteilen kommen, wäre meiner Meinung nach Milde angebracht: Geldzahlungen oder Bewährungsstrafen.
Sinnvoller als Strafen scheint stattdessen eine Neubesinnung auf Mitmenschlichkeit und Verantwortung zu sein, auf eine erfreuliche zwischenmenschliche Atmosphäre im eigenen Umfeld. Sie aufmerksam anzustreben, sollte schon bei kleinen Kindern in ihrem Hort beginnen, in den Schulen weitergehen und bis ins Alter beachtet werden. Sie kann alles umfassen, was Schwächere und Bedürftige unterstützt, etwa Hausaufgabenbetreuung von Migrantenkindern, Unterstützung des Lehrers bei schriftlichen Aufgaben im Unterricht, bewusstes Einbeziehen schwächerer Spieler bei einem Mannschaftssport, Parteinahme für bedrängte Kameraden und Kameradinnen im Klassenzimmer oder während der Hofpausen und durchaus auch Achtsamkeit im Straßenverkehr.
Wer in einem derartigen Klima aufgewachsen ist, wird es als Erwachsener für eine Selbstverständlichkeit ansehen, abgelehnte Nachbarn vor dem Mobbing Rechtsradikaler zu schützen und seinen Kindern ein gutes Beispiel zu geben. Auf Dauer wird in unserer Gesellschaft das gute Zusammenleben aufmerksamere Beachtung erfahren. Sie wird erfreulicher werden.
Helmut Mehrer, Brühl