Zum Artikel „Fruchtbarer Ackerboden geht verloren“ (SZ vom 16. März, Seite 19) erreicht uns folgende Zuschrift:
Die Menschen leben allesamt von der Landwirtschaft, die Ernährung der eigenen Bevölkerung sollte einem Land oder einer Kommune etwas wert sein – sollte man meinen.
Gerade in Krisenzeiten wie diesen hat man schmerzlich bemerkt, wozu Abhängigkeiten führen können, wenn die Lieferketten zusammenbrechen. Bislang spürte man dies nur am Geldbeutel, die Engländer spüren es durch den Brexit heute schon im Magen. Dort stehen die Verbraucher in der Gemüseabteilung vor leeren Regalen.
Wenngleich Ukraine-Krieg und Brexit als Ursache nicht grundverschiedener sein könnten, für die betroffenen Märkte sind die Auswirkungen in ähnlicher Weise spürbar: Waren werden knapp – auch Lebensmittel. Die Zeiten von Hunger und Lebensmitteln, die sich keiner leisten konnte, scheinen vorbei zu sein. Nur leben die Landwirtschaft und der Mensch an sich davon, dass Land bewirtschaftet wird. Obwohl die Produktion von Lebensmitteln die Lebensgrundlage schlechthin ist, scheint das Bewusstsein dafür beim Staat bis herab zu den kommunalen Verwaltungen schlecht ausgeprägt. Was Flächen angeht, ist die Landwirtschaft die Melkkuh der Nation schlechthin.
Ein Neubaugebiet – kein Problem – man wandelt Acker in Baugebiet um und das war’s. Und für jeden Hektar Acker, der Baugebiet wurde, schwitzt die Landwirtschaft sich nochmals zwei Hektar als „Ausgleichsfläche“ aus den Rippen.
Mit der Ausgleichsfläche wird das ökologische Gewissen der Entscheider beruhigt, obwohl natürlich keine Fläche ausgeglichen wird. Was zugebaut ist, ist weg. Punkt. Fläche ist nicht vermehrbar, das sollte jedem bewusst sein.
Und ökologisch bewirtschaftete Flächen als Ausgleichsflächen auszuweisen, ist eh ein Witz. Verweis hierzu auf die Untersuchung der Artenvielfalt auf Ökoflächen, zum Beispiel durch die Uni Bonn.
Nun will man in Neulußheim einen Solarpark auf 20 Hektar Ackerfläche einrichten. Als Ersatz für ein Industriegebiet, das nicht verwirklicht werden konnte. Die Folgen für den betroffenen Betrieb wären fatal.
6500 Haushalte könnten mit Strom versorgt werden. Strom, den man in Zeiten der Energiewende bitternötig hat, sicher. Wenn ich mir nun ein Lichtbild der Gemeinde anschaue, dann sehe ich rote Dächer, wenige Solarpanels.
Natürlich ist die Photovoltaikanlage auf dem Dach kostenintensiver als Agri-Photovoltaik. Natürlich verdient bei einem klug aufgelegten Förderprogramm vor allem der Eigentümer der Immobilie und nicht die Gemeinde.
Unsere Nachbarn in Frankreich fördern Photovoltaikanlagen für Parkplätze von Supermärkten und Ähnliches. Natürlich sind auch belastete oder aus anderen Gründen nicht landwirtschaftlich nutzbare Flächen eine Alternative.
Aber der einfachste Weg ist nicht immer der beste. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit der einfallsloseste. Eine Gemeinde sollte nicht nur für die Gemeindekasse planen, sondern auch für die nachkommenden Generationen.
Nein, Rückbau nach einer gewissen Zeit ist nur ein Scheinargument, wenn die Anlage steht, dann steht sie. Diese Rechtfertigung bitte stecken lassen, sie wäre nicht aufrichtig. Und wenn ich mir vorstelle, dass ich irgendwann an 500 Meter schwarzen Solarpanels vorbeifahre, statt an Kartoffeln, Roggen oder Luzerne – aber diese Sichtweise ist leider nur ein Hinweis auf die „Soft Skills“ solcher Flächen. Und die Beweidung von Photovoltaikflächen durch Schafe mag das Kinderherz freuen, sie geht aber am Markt vorbei. Zudem geht die Fläche für Hase, Fuchs, Rebhuhn und Co. verloren, Wechsel werden unterbrochen – doch wo keine Lobby ist, ist auch kein Kläger.
Landwirte wünschen sich eine Gemeindeverwaltung, die in den Ackerflächen keine zukünftigen Baugebiete sehen, sondern das, was diese Flächen wirklich sind: Die Grundlage dafür, dass jeder ihrer Bürger etwas zu essen hat. Zu erschwinglichen Preisen, im Winter wie im Sommer. Damit sich jeder eine gesunde Ernährung leisten kann.
Der Flächenverbrauch ist zu hoch. Das weiß jeder, eine Sackgasse, die bald endet. Unseren Wohlstand auf den Verbrauch von Flächen (dem Tafelsilber einer jeden Kommune) zu bauen, ist kurzfristig gedacht und hat keine Zukunft. Sie schafft fatale Abhängigkeiten durch Importe. Schafft Umweltprobleme in lebensmittelexportierenden Ländern, die wir durch eine umsichtige Landwirtschaft nicht haben, schon gar nicht im Ökolandbau.
Liebe Neulußheimer im Rathaus und Gemeinderat – denkt noch mal nach: Lauft nicht auf ausgetretenen Entscheidungspfaden. Ihr hättet die Möglichkeit, Weichen zu stellen, anstatt die Zukunft für kurzfristige Erleichterung im Stadtsäckel zu verbauen.
Michael Hoffmann, Reilingen