Zu Friedensdemos in Berlin, die Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer organisierten, wird uns geschrieben:
Sahra Wagenknecht galt einst als Galionsfigur für Die Linke. Sie ist eine Machtpolitikerin par excellence. Um politische Macht und Einfluss auszuüben, scheint ihr jedes Mittel und Kalkül recht zu sein. Sie gilt als rhetorisch geschliffen. Mittlerweile wurde sie aus Sicht vieler ihrer Parteigenossen zur Nestbeschmutzerin. Ihre Nähe zu Putin ist unverkennbar. Genau das macht sie unglaubwürdig. Steht sie doch mit ihrer Position der AfD sehr nahe.
Sie sucht mit ihrer Politik ihr eigenes Seelenheil. Dabei steht sie wohl nicht alleine. Ihre realitätsverzerrenden Sichtweisen lassen jedoch aufhorchen. Wagenknecht hat, noch einen Tag vor dem Überfall auf die Ukraine, in einer Talkshow behauptet, dass der russische Einmarsch in die Ukraine „herbeigeredet wird“: „Russland hat faktisch kein Interesse einzumarschieren“, sagte sie. Und weiter: „Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: Ein durchgeknallter Nationalist, der sich berauscht, Grenzen zu verschieben.“ Zwar hat Wagenknecht ihre Fehleinschätzung auf Druck von außen später eingestanden, doch, trotz dieses Fauxpas nutzt sie jede Gelegenheit, sich immer wieder ins Gespräch zu bringen. Da ist sie sich auch nicht zu schade, den russischen Angriffskrieg für sich zu nutzen, um sich in der Öffentlichkeit als Friedensengel darzustellen. Mit ihrem mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer initiierten und umstrittenen „Friedensmanifest“ hat sie wieder geschickt die politische Bühne betreten. Dass Schwarzer sie uneingeschränkt unterstützt, überrascht. Aus Eigennutz oder Naivität? Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Zu der von beiden initiierten Berliner „Friedensdemo: Aufstand für den Frieden“ am Samstag kamen nach Medienberichten schätzungsweise 15 000 Menschen. Darunter viele Aktivisten der Friedensbewegung – aber auch Verschwörungstheoretiker, Querdenker, Reichsbürger und rechtsgerichtete Parteien. Bei der Kundgebung sagte Wagenknecht angesichts von Kritik an Teilnehmern aus dem rechten Spektrum: „Neonazis und „Reichsbürger haben hier selbstverständlich nichts zu suchen.“ Gleichzeitig erklärte sie: „Aber genauso sage ich auch: Jeder, der ehrlichen Herzens mit uns für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren will, ist hier willkommen.“
Spätestens nach ihrer kämpferischen fast schon agitatorischen wirkenden Aussage: „Das hier ist nur der Auftakt. Medien und Politik haben Angst vor uns“, entlarvt sie sich selbst und reiht sich damit in die Querdenkerszene der Verschwörungstheoretiker, Tatsachenleugner, Reichsbürger und rechtsgerichteten Parteien ein. Es ist eine Kampfansage gegen die Bundesregierung.
Um die Ukraine geht es ihr anscheinend nicht mehr. Ihr eigenes politisches Kalkül tritt in den Vordergrund. Unverkennbar will sie die Anführerin einer – aus ihrer Sicht – neuen Bewegung sein. Dass selbst der für AfD-Verhältnisse weit rechts stehenden Björn Höcke nun die Linkenpolitikerin auf einer Demonstration in Dresden unter dem Jubel seiner Anhänger zur Zusammenarbeit aufgefordert hat, verwundert nicht. Er lud sie ein, seiner Partei, der AfD, beizutreten: „Ich bitte Sie, kommen Sie zu uns“, sagte er. In seiner Partei könne Wagenknecht die Politik machen, von der sie träume – anders als in der Linken: „Sie werden mit dieser Partei niemals ihre Vorstellungen von Friedenspolitik durchsetzen.“ (Quelle: Der Spiegel). Was für ein beschämender und mehr als peinlicher „Ritterschlag“.
Jeder normal denkende Mensch sehnt sich nach Frieden. Der mittlerweile schon ein Jahr lang andauernde brutale russische Überfall auf die Ukraine erschüttert nach wie vor die Welt – zumindest die nicht autokratisch oder diktatorisch geführten Länder. Und schürt verständlicherweise Ängste. Daher liegt es nahe, dass dieser Konflikt schnellstmöglich beendet werden muss. Doch wie? Durch einen Diktatfrieden? Einen Waffenstillstand, dem nur dem Aggressor Vorteile verschafft?
Was nützt ein sogenanntes „Friedensmanifest“, in dem keine konkreten Vorschläge gemacht werden, wie dieser Konflikt beendet werden kann, außer einem Waffenstillstand, dem letztendlich nur dem Angreifer nützt? Und wie glaubwürdig ist ein „Verhandlungspartner“, dessen Ziel es nach wie vor ist, die Ukraine auszulöschen und der nicht von seinen völkerrechtswidrigen territorialen Ansprüchen abrückt und an ihnen unabdingbar festhält?
Wie zynisch muss daher Wagenknechts „Kompromissvorschlag“ klingen, dass die Bevölkerung in den von Russland annektierten, besetzten und von Russen kontrollierten Gebieten selbst entscheiden sollen, welchem Land sie angehören. Ein Realitätsverlust ersten Grades. Das ist eine Verdrehung der Tatsachen und eine Verhöhnung der ukrainischen Bevölkerung. Man könnte vermuten, dass Wagenknecht trotz aller Angriffe gegen ihre eigene Partei und ihren wundersamen Auftritten und Alleingängen Die Linke immer noch voll beherrscht. Warum die Linkspartei sich nicht von ihr distanzieren oder lösen kann, bleibt ein Rätsel.
Thomas Proft, Schwetzingen