Altlußheim. Wenn die Sonne langsam untergeht, beginnt es in der „Alten Lehmgrube“ im „Unteren Bärlach“ in Altlußheim munter zu Zwitschern und zu Quaken. Ein tolles Konzert, zu dem Jäger Wolfgang Reinhardt an einem lauen Sommerabend Thomas Picke vom Nabu Hockenheim und den stellvertretenden Vorsitzenden des BUND-Ortsverbandes Hockenheim Rheinebene, Thomas Kuppinger, einlud. Sie lauschten den Tieren, sahen den Insekten zu, die über das stille Wasser sprangen und konnten dabei eine wunderbare Beobachtung machen, die ihnen Wolfgang Reinhardt zuvor versprochen hatte – der Einflug der Zwergfledermäuse.
Die Zuschauer folgten begeistert den schnellen Zickzackflügen der Tiere, die in einer ganzen Kolonie über die „Alte Lehmgrube“ flogen – wie jeden Abend. Meist sind sie in enormem Tempo unterwegs und fliegen gezielt zwischen den Ästen der Bäume hindurch. „Wahnsinn, so viele auf einmal habe ich ja noch nie gesehen“, sagte Thomas Picke, der seinen Fledermaus-Detektor mitgebracht hatte. „Fledermäuse jagen und orientieren sich mit Hilfe der Ultraschall-Echoortung. Die Laute liegen in einem Bereich von etwa 20 bis zu 140 Kilohertz. Jede Fledermausart nutzt dabei bestimmte Frequenzbereiche die für den Menschen nicht wahrnehmbar sind“, erklärte er. Der Detektor machte es jedoch möglich, die hochfrequenten Rufe der Fledermäuse in hörbare Laute umzuwandeln und so gab Pickes Gerät diese auch von sich. Es waren viele Fledermäuse ganz in ihrer Nähe.
Paradies und Jagdgebiet
Die alte Lehmgrube, die etwa Mitte des 18. Jahrhunderts zur Lehmgewinnung für die Herstellung von Ziegeln entstanden ist, ist ein Paradies für die Zwergfledermäuse, deren wissenschaftlicher Name „Pipistrellus pipistrellus“ lautet. „Es ist ein ideales Jagdgebiet für die Tiere, da sie ein reichhaltiges Nahrungsangebot durch eine große Insektenvielfalt haben. Es gibt kaum Wind und so gut wie keine natürlichen Feinde“ erklärte Wolfgang Reinhardt. Die Zwergfledermaus ist die meistverbreitete europäische Fledermausart, die zu den kleinsten Vertretern der Säugetiere gehört. Ihr fellbedeckter Körper misst eine Länge von etwa vier Zentimetern, ihre Flügel können sie allerdings auf eine Breite von etwa 17 Zentimetern spannen. Als Gesamtgewicht erreicht das ausgewachsene, nachtaktive Tier aber nur etwa 3,5 Gramm. Hat die Zwergfledermaus ihre Flügel angelegt, ist sie kleiner als eine Streichholzschachtel. Um leistungsfähig zu bleiben, müssen diese jedoch jeden Tag rund ein Drittel ihres Gewichtes an Nahrung, in Form von Insekten, zu sich nehmen.
Vor etwa 35 Jahren wurden in Altlußheim die ersten Einzelpaare entdeckt und durch die großen Bemühungen, ihnen ein ideales Zuhause zu bereiten, konnten sich immer mehr ansiedeln. „Mittlerweile haben wir hier fünf verschiedene Arten“, bestätigt Thomas Kuppinger stolz und hebt hervor, wie wichtig es ist, dass sich Menschen vor Ort für die Natur und die Tiere engagieren. „Man hat auch verstanden, dass sich Verbände zusammenschließen müssen und nicht gegenseitig behindern, um etwas zu erreichen. Dazu gehören auch die Landwirte. Gemeinsam kann man vieles sehr positiv verändern und dann sehen wir solche Früchte wie hier im Bärlach“, ergänzt er mit Blick auf die fliegenden Fledermäuse.
Rückzugsort in fünf Metern Höhe
Damit die schnellen Flieger einen sicheren Rückzugsort haben, wurden in dem Gebiet vor einigen Jahren Kästen aufgehängt, in diesen hängen sie – im wahrsten Sinne des Wortes – tagsüber etwa 16 Stunden lang mit dem Kopf nach unten. Mit der Dämmerung schwirren sie dann aus und beenden in den frühen Morgenstunden die Futtersuche, in dem sie sich wieder in ihre Kästen zurückziehen. Diese wurden in etwa fünf Metern Höhe so aufgehängt, dass sie nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgeliefert sind, die Fledermäuse eine gute Anflugmöglichkeit haben und dazu vor Raubvögeln geschützt sind.
Der gut erhaltene und geschützte Bereich im Bärlach gibt den Zwergfledermäusen sogar die Möglichkeit, dass sie dort überwintern und den Nachwuchs zur Welt bringen können. Je nach Nahrungsangebot, träg eine Mutter ihre Jungen etwa 40 bis 70 Tage, bis diese geboren werden. Als es an der „Alten Lehmgrube“ ganz dunkel geworden war, beendeten Wolfgang Reinhardt, Thomas Picke und Thomas Kuppinger ihrer Beobachtungen und stießen darauf an, dass man hier ein gemeinsames Ziel mit großem Erfolg verwirklicht hat, nämlich, ein wichtiges Stück Natur zu erhalten und einer großen Kolonie von Zwergfledermäusen ein sicheres und dauerhaftes Zuhause zu geben.
Info: Eine Anleitung zum Nachbauen von Kästen gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de