Waghäusel. „Ich trage einen großen Namen“, so hat eine bekannte Fernsehratesendung gelautet. In Waghäusel leben derzeit Flüchtlinge, die auch einen großen Namen tragen, der sogar um die Welt gegangen ist: Es sind Angehörige der jungen Jina Mahsa Amini, deren Tod durch Polizeigewalt landesweite Proteste gegen den autoritären „Gottesstaat“ Iran ausgelöst hat. Und die immer noch anhalten.
Aus politischen Gründen sind Mahsas Verwandte – Vater (Großcousin), Mutter und Tochter – geflohen. Der von Revolutionsgarden verfolgte und verurteilte Sohn Omid Amini hat sich schon 2019 außer Landes gerettet – ohne Pass. Dennoch bekam er damals in Deutschland noch Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Anders bei der Restfamilie. Zu Fuß über das türkische Gebirge und mit 57 Personen in einem Schlauchboot übers Mittelmeer sind sie in Italien gestrandet und in Deutschland angekommen. Dort gerieten sie in einen noch schlimmeren Behörden- und Verwaltungsdschungel, so ihre Gefühlslage.
Abenteuerliche Flucht vom Iran bis nach Waghäusel
Familienoberhaupt Naser Amini, seine Frau Sheida Mirzaee und die 17-jährige Tochter Elnaz haben eine abenteuerliche Flucht hinter sich. Seitdem kämpfen sie um ein Bleiberecht und um eine Arbeitserlaubnis. Beides hängt miteinander zusammen. Im Iran arbeiteten Mann und Frau als Lehrer, hier haben sie einfache Jobs, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass sie Kurden sind, hatte ihre Lage im Iran noch verschlimmert.
Doch die deutschen Behörden verlangen Pässe, die niemand bei einer Flucht aus Sicherheitsgründen bei sich trägt. Die Familie soll die iranische Botschaft in Berlin aufsuchen und sich dort alle notwendigen Ausweise und Urkunden besorgen. Das Problem dabei: Vor einem Besuchstermin ist dort eine schriftliche Offenbarung aller denkbaren persönlichen Angaben abzuliefern, die zu einer Verfolgung von Verwandten und Bekannten einladen.
Davor und insbesondere vor einem Aufenthalt in der Botschaft eines Landes, in dem sie als Feinde und Terroristen gelten, haben die drei panische Angst. Doch für das zuständige Regierungspräsidium (RP) gilt: Ohne Pass keine Arbeitserlaubnis. „Wir haben alle Opfer auf uns genommen, wir schwebten ständig in Lebensgefahr.“ Jetzt sehen sie sich – und mit ihnen ihre Betreuer – als erneut Leidtragende inmitten von Verwaltungsmühlen.
Erlebnisse im Iran belasten Mutter und Tocher der Waghäuseler Familie
Mehrfach weinen Mutter und Tochter bei ihrer Schilderung, äußern sich aber glücklich, dass sich Pfarrer Hartmut Rupp, DIF-Integrationsvereinsvorsitzende Ebru Baz und Wolfgang Müller als engagierter Flüchtlingshelfer um sie kümmern. Mit Tränen in den Augen berichten sie, wie sie Hals über Kopf geflohen sind, als ihnen Nachbarn mitteilten, dass die Geheimpolizei ihr Haus durchstöbere.
Die drei Familienmitglieder hätten sich nicht mit Nachdruck um eine Beschaffung ihrer Pässe bemüht, sagt das Ausländeramt in Rücksprache mit dem RP. Also gebe es keine Arbeitserlaubnis. Weil sich der Rechtsanwalt der Aminis still und heimlich in den Ruhestand verabschiedete, lief manches schief. Im Gegensatz zum Sohn 2019 war 2021 der Asylantrag der Eltern abgelehnt worden, sodass jetzt nur eine zeitlich befristete „Duldung“ besteht. Bei der Befragung durch das Bundesamt BAMF habe die allein befragte Mutter, die kein Wort Deutsch sprach, für alle drei solche Angaben gemacht, die eine Ablehnung begründen, hieß es.
Der Zustand der drei Flüchtlinge hat sich so verschlimmert, dass sie in einer Einrichtung für traumatisierte Migranten ärztlich und psychologisch behandelt werden. Dort wird die Unzumutbarkeit bescheinigt, die iranische Botschaft zu betreten, wie es das RP fordert. Das Ausländeramt in Waghäusel hat sich, „trotz aller Bedenken“ bei manchen Entscheidungen durchaus hilfsbereit gezeigt, doch nach Rücksprache mit der vorgesetzten Behörde, dem RP, zunächst die ersehnte Verlängerung der Arbeitserlaubnis abgelehnt, was die Verzweiflung der Familie, wie sie sagt, ins Unendliche gesteigert hat.
Jetzt hat das RP überraschenderweise eine Arbeitserlaubnis für drei Monate erteilt. Zwischenzeitlich wird die Familie Amini, die sich in ärztlicher und psychologischer Behandlung befindet und ihre schlimme Traumatisierung dort sofort attestiert bekommen hat, von einem neuen Rechtsanwalt für Migrationsrecht betreut.