Plankstadt/Mayschoß/Region. Ein lautes Brummen hallt durch den großen, leeren Raum; Putz rieselt von den Wänden auf den Boden. Konzentriert hält der 19-jährige Johannes Steinberg aus Plankstadt den Schlagbohrer in seinen Händen und trägt damit langsam den Putz vom Mauerwerk. „Wir schlagen den Putz von den Wänden, weil er feucht ist und deshalb runter muss“, erklärt er.
Gemeinsam mit über 40 Helfern ist er am Samstagmorgen um 6 Uhr an der Mehrzweckhalle in einen Bus gestiegen und nach Mayschoß gefahren. Es ist bereits das siebte Mal, dass die „Ahrschipper“ um Organisator Joe Herrmann ins Ahrtal fahren, um vor Ort mit anzupacken (wir berichteten mehrfach). Während ein Teil der Truppe in Walporzheim und ein anderer Teil in Ahrweiler gebraucht wird, hilft der Rest der „Ahrschipper“ in der „Lochmühle“ in Mayschoß.
Früher war die „Lochmühle“ ein großes Hotel mit Terrasse, mehreren Zimmern und zugehörigem Restaurant auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Kulisse ist idyllisch: Grüne Weinberge, alte Gebäude und die Ahr fließt friedlich an den Häusern vorbei. Kaum zu glauben, dass dieser harmlose Fluss so viel Leid und Chaos angerichtet hat. Heute zieren Berge von Schutt und Geröll das Ortsbild, die „Lochmühle“ ist nicht mehr wiederzuerkennen. Fenster und Türen mussten entfernt werden, das Erdgeschoss muss kernsaniert werden, genau wie alle Zimmer im ersten Obergeschoss. Die Räume, die in den oberen Stockwerken liegen, sind noch intakt und werden Helfern kostenlos zur Verfügung gestellt.
Mit Schutzbrille und Handschuhen
„Ich möchte einfach etwas Gutes tun“, erklärt Johannes Steinberg, der gemeinsam mit Freunden hier ist. Zwei Stunden brauchen sie circa, um den Putz von einer Mauer abzutragen. Staub wirbelt durch den Raum. Schutzkleidung ist bei der Arbeit mit den schweren Geräten Pflicht: Ohrenschützer, Handschuhe, Schutzbrille und festes Schuhwerk sollen Verletzungen verhindern.
Dorota Wasilewska aus Neckarau kehrt derweil den Schutt zusammen und schüttet ihn anschließend in eine Schubkarre, die wiederum draußen abgeladen wird. Sie ist zum ersten Mal mit den „Ahrschippern“ unterwegs. Organisator Joe und seine Frau Sabine Herrmann kennt sie von der Arbeit. Die Bilder vor Ort erschüttern sie. „Es ist eine Katastrophe. Wir können wirklich froh sein über das, was wir haben“, sagt sie. Die Mannheimerin will ab jetzt zweimal im Monat zum Helfen mitfahren.
Spendenkonten der Schwetzinger Zeitung
Die Zerstörungen in den Flutgebieten in Deutschland sind schrecklich: In einer Initiative der Schwetzinger Zeitung sicherten alle Oberbürgermeister und Bürgermeister aus unserem Verbreitungsgebiet ihre Unterstützung zu. Auch wir möchten den Menschen in den betroffenen Gebieten helfen. Die Stadt Schwetzingen hat Spendenkonten eingerichtet und übernimmt die Abwicklung. Spendenbescheinigungen sind möglich. Spenden Sie mit dem Stichwort: Fluthilfe 2021
- Sparkasse Heidelberg: DE08 6725 0020 0025 0104 42
- VR Bank Kur- und Rheinpfalz: DE78 5479 0000 0005 0650 03
- Auch Online-Überweisungen sind unter diesem Link möglich
Jeder Euro wird bei den Menschen in Sinzig ankommen. Bürgermeister Andreas Geron hat zugesagt, dass seine Mitarbeiter bei der Auswahl der Hilfsbedürftigen helfen.
Der Tag schreitet voran, doch die Arbeit scheint nicht weniger zu werden. Unten werden im Bad Fließen rausgeschlagen und im ersten Obergeschoss ist ein Team gerade dabei, aus Holz eine Brüstung zu bauen, damit niemand aus den offenen Fenstern hinausfällt. Ercan Özlüer ist seit 29 Jahren Dachdecker und bereits den vierten Samstag mit dabei. Mit dem Schraubendreher schraubt er Vierkanthölzer aneinander und prüft zwischendurch die Stabilität der Konstruktion. „Es ist heftig – einfach alles ist zerstört“, fasst der Schwetzinger seine Eindrücke aus dem Ahrtal zusammen. Er versuche, andere zum Helfen zu motivieren, denn Hilfe werde an allen Ecken und Enden gebraucht.
Das weiß auch Nico Seibert, der seit Beginn der Katastrophe mit anpackt. Für den Eppelheimer ist klar: Auf seine Hilfe können die Menschen im Ahrtal zählen. In den vergangenen Wochen hat er viel gesehen und erlebt – schreckliche Dinge, aber natürlich auch Schönes. Denn die Stimmung unter den Helfern ist super, alle kümmern sich umeinander und zwischen all der Arbeit ist auch immer genug Zeit für leckeren Kuchen, kalte Getränke und Gespräche. Die „Ahrschipper“ haben zwar selbst jede Menge Verpflegung dabei, um die Mittagszeit bauen junge Männer aber zusätzlich zwei Grills auf und verteilen Würstchen an alle.
„Die Menschen sind so unglaublich dankbar“, erzählt Joe Herrmann. Sie kommen zu ihm, erzählen von dem Moment, als die Flut ihnen alles nahm. Zum Teil gibt es in Mayschoß immer noch kein fließendes Wasser und keinen Strom. Die Straßen sind zerstört, genauso wie die Bahnschienen, die nur wenige Meter vom Hotel entfernt entlanglaufen.
„Hier war mal ein Sportplatz“, erzählt der Plankstadter und zeigt auf eine brach liegende Fläche. Eine einsame Flutlichtanlage ist davon noch übrig. Die Fahrten finanziert er von Spenden und aus eigener Tasche. Jeder, der mitfahren möchte, muss gemeinsam mit der Anmeldung 20 Euro Pfand hinterlassen, die er im Bus dann wiederbekommt. „Wir planen außerdem, einen Verein zu gründen“, meint Joe Herrmann. Schön sei für ihn, dass er von den Menschen vor Ort so viel zurückbekomme. Das sieht man auch beim Helferfest, das abends mit Livemusik gefeiert wird. Die Kurpfälzer sind sich einig: Sie werden weiter zum Helfen kommen.
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