Brühl. Viele Tausend Pilger machen sich jedes Jahr auf den Weg nach Santiago de Compostela an der Nordwestspitze von Spanien. „Ihre Motive sind unterschiedlich, und fast alle kommen bereichert zurück von den vielen am Weg liegenden, jahrhundertealten Werken der Kunst und Kultur, die vom Christlichen Glauben geprägt sind“, fasst Horst Zohsel in seinem Vortrag bei der Kolpingfamilie Brühl die Pilgerfahrt im Zeichen der Muschel zusammen.
Zugleich sei der Jakobsweg ist ebenso eng verflochten mit der wechselvollen Geschichte Spanien. Vor mehr als Zweitausend Jahren erlebte die Halbinsel im Süden Europas die Verschmelzung der Iberer mit den aus dem Norden eingewanderten Kelten. Karthager eroberten große Teile des Landes, es kamen die Römer, die wiederum von den Westgoten vertrieben wurden. Im 7. Jahrhundert machten dann Araber die gesamte Halbinsel als „Al Andalus“ zum Herrschaftsbereich der Kalifen von Damaskus.
Der Jakobsweg im Wandel der Jahrhunderte
Das Erstaunliche sei, meinte Zohsel, dass das Land nach der Eroberung durch die Araber kulturell aufgeblüht sei. Dennoch habe sich Widerstand geregt. Einige Fürsten im Norden der Halbinsel schlossen sich zusammen zur Reconquista, zur christlichen Rückeroberung, zum Freiheitskampf gegen die fremden Invasoren. Über 700 Jahre wurde erbittert gekämpft. Auch Karl der Große samt Neffe Roland, dem Markgrafen der Bretagne, mischte mit.
Und in einem dieser Glaubenskriege, in der Schlacht von Clavijo im Jahr 844, tauchte plötzlich ein tapferer Reiter mit Schwert und rotem Kreuz im Banner auf. Die für Freiheit kämpfenden christlichen Soldaten meinten in ihm den Heiligen Jakobus zu erkennen. Er wurde ihnen fortan zur Kraftquelle. Denn wenige Jahre zuvor war in Santiago de Compostela das Grab des Heiligen wiederentdeckt worden. Und so wurde aus dem kämpfenden Jakobus der „Matamoros“, der Maurentöter, erklärte Zohsel der Kolpingfamilie. Wie allerdings sein Leichnam zuvor nach Spanien gelangt war, darüber gibt es viele Legenden.
Anfang des 15. Jahrhunderts waren die erbitterten Kämpfe dann vorbei, die Mauren vertrieben, Spanien wurde Königreich und St. Jakob Nationalheiliger. Santiago de Compostela mit dem Grab des Heiligen Jakob erfuhr aber schon ab dem 11. Jahrhundert religiöse Bedeutung, betonte der Referent. Eine Wallfahrt dorthin war damals wichtiger als eine nach Rom oder ins Gelobte Land.
Von der Legende zum europäischen Kulturweg: Jakobsweg als Band zwischen Nationen
Doch sie sei nicht ungefährlich gewesen, denn nicht nur fromme Menschen hätten sich auf den Weg dorthin gemacht. Es gab auch Menschen, die diesen Weg gehen mussten, um auferlegte Strafen abzuleisten. Das Pilgern nach Santiago de Compostela auf dem sogenannten Sternenweg ebbte ab. Hungersnöte und die Pest trugen ebenfalls dazu bei.
Erst im 19. Jahrhundert kümmerte sich die Jakobsbruderschaft wie Jahrhunderte zuvor um die Wiederbelebung der frommen Reise. Gesetze zum Schutz der Pilger entstanden und schließlich wurde der Jakobsweg zum „Band durch Europa“. Er wurde als Europäischer Kulturweg zum Symbol des grenzenlosen Zusammenwachsens der Länder und Nationen. Von Brühl bis zum Grab des Heiligen in Santiago de Compostela beträgt die Pilgerstrecke rund 2000 Kilometer.
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