Hockenheim. „Faire Preise“ - die Antwort von Landwirt Tobias Schmitt kommt prompt auf die Frage des Landtagsabgeordneten der Grünen Dr. Andre Baumann, „Was wünschen Sie sich von der Politik?“ beim Besuch des Gemüsehofs Schmitt in Hockenheim. Schmitt ergänzt seine Antwort: „Den Mindestlohn haben wir ja auch. Wir bräuchten einen Mindestpreis für landwirtschaftliche Produkte.“ Die Produkte, die Schmitt mit seinem familiengeführten Betrieb auf rund 250 Hektar im Hockenheimer Rheinbogen produziert, sind Kopfsalat, Mini-Romana-Salat, Mix-Salat, Staudensellerie, Möhren, Spargel und Getreide. In der Hauptsaison habe er dafür 80 Mitarbeiter, ansonsten 55, berichtete er. Die Vorabeiter seien in der Regel festangestellt, der Rest sei pro Saison beschäftigt.
„Der Gemüsehof Schmitt produziert in meinem Wahlkreis einen Großteil aller Salatköpfe, die in Baden-Württemberg angebaut werden und beliefert alle konventionellen Supermärkte in der Region“, stellt Baumann fest. Um sich ein genaueres Bild von den Betriebsabläufen zu machen, tauscht sich der Wahlkreisabgeordnete nicht nur ausführlich mit Landwirt Schmitt aus. Er begleitet ihn auch frühmorgens aufs Feld – und packt mit an. Ein Team von elf Mitarbeitenden ist an diesem Tag damit beschäftigt, Mix-Salat, also die Sorten Lollo Rosso und Lollo Bionda, zu ernten.
Baumann packt bei der Salaternte mit an
Während einer von ihnen einen Traktor langsam die langen Reihen von grünen und rötlichen Salatköpfen entlangfährt, schneiden einige von ihnen die Salatköpfe vom Feld ab und legen sie auf ein Fließband. Über das werden diese unter den kontrollierenden Augen einer Mitarbeiterin direkt zu einem Anhänger am Traktor transportiert und dort von weiteren Mitarbeitenden in Kisten gepackt und verladen. Vorarbeiterin Adriana und Mitarbeiterin Carmen weisen Baumann ein und schauen ihm anschließend beim Arbeiten immer mal wieder über die Schulter. „Das macht er gut“, sagt Adriana und schmunzelt.
Bei der Salaternte habe er hautnah miterleben können, wie hoch die Ansprüche des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) seien, sagt Baumann anschließend. „Ein Blatt mit einem braunen Punkt darauf muss direkt abgezupft werden“, erzählt er. „Und der Salatkopf wird nicht ganz unten über der Erde abgeschnitten, sondern etwas höher, sodass die äußeren Blätter, die vielleicht nicht mehr ganz so ansehnlich sind, liegen bleiben. Sind weitere der äußeren Salatblätter nicht ,perfekt‘, müssen auch diese entfernt werden, bevor der Kopf aufs Fließband darf. Und wenn ein Salat zu viele braune Flecken oder schrumpelige Blätter hat, bleibt er gleich ganz auf dem Feld zurück und wird bei nächster Gelegenheit umgepflügt.“ Diese Vorgehensweise bei der Ernte habe ihren Grund, erklärt Schmitt: „Der Einzelhandel nimmt nur perfekte Salatköpfe an, und die Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen in der Regel auch nur perfekte Ware.“
Kein striktes Gegeneinander von konventioneller und biologischer Landwirtschaft
Für eine gute Ernte und „perfekte“ Salatköpfe sei der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unerlässlich, so Schmitt weiter. Er versuche, möglichst viele biologische Mittel einzusetzen, ganz ohne konventionelle funktioniere es jedoch nicht, die Pflanzen frei von Schädlingen zu halten. „Der Salat wird regelmäßig auf Rückstände der Mittel getestet und ist immer frei davon. Wir könnten den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduzieren, wenn der Lebensmitteleinzelhandel nicht nur perfekt aussehende Salatköpfe abnehmen würde“, so Schmitt.
„Die Biolandwirtschaft hat ihre Berechtigung, denn wir wollen natürlich, dass so wenige Schadstoffe wie möglich in die Natur gelangen“, sagt Baumann, der früher wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Agrarökologie und Biodiversität Mannheim war. „Und unser Ziel ist, dass es immer weniger werden. Aber in Baden-Württemberg haben wir das strikte Gegeneinander von konventioneller und biologischer Landwirtschaft aufgebrochen, denn die Welt ist nicht schwarz-weiß.“
In Deutschland müsse sich einiges ändern, um die vorhandene gute Landwirtschaft, die in einer arbeitsintensiven Produktion hochqualitative Lebensmittel herstelle, zu erhalten. „Vor allem familiengeführte Betriebe verdienen faire Preise für ihre tollen Produkte“, bekräftigt Baumann. „Doch der Markt ist hart, oft wird um Centbeträge gefeilscht.“ Der LEH schließe zudem keine Verträge mit den Landwirten ab, vieles geschehe per Absprache oder gar auf Zuruf, schildert Tobias Schmitt. „Wir Landwirte tragen das volle Risiko, erhalten jedoch nur einen Bruchteil des Gewinns, der mit den Produkten erzielt wird.“
Appell: Nicht immer nur „perfektes“ Gemüse kaufen
Für den ersten Strategiedialog Landwirtschaft, ein 2024 abgeschlossenes Dialogformat zur Zukunft der Landwirtschaft und der biologischen Vielfalt, habe die baden-württembergische Landesregierung neben vielen weiteren Akteuren auch extra den LEH mit ins Boot geholt, da dieser für eine verantwortungsvolle Preisgestaltung eine zentrale Rolle spiele, berichtet Baumann, der seit vielen Jahren auch Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium ist. „Aber auch wir Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Beitrag leisten“, sagt der Abgeordnete weiter. „Wir sollten nicht immer nur ,perfektes‘ Gemüse kaufen und auch nicht immer nur das günstigste, womöglich aus dem Ausland, wenn wir es uns auch leisten könnten, ein gutes regionales Produkt zu kaufen. Auf diese Weise unterstützen wir unsere heimische Landwirtschaft und schonen unsere Umwelt.“
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