Geschichte

Spurensuche in Andilly: Das kurze Leben des Plankstädters Josef Böhm

Ein Besuch der Kriegsgräberstätte in Frankreich führt die Delegation aus Plankstadt zu den Spuren von Josef Böhm, der 1944 im Krieg fiel. Was es mit ihm auf sich hat, erklärt Gemeindearchivar Ulrich Kobelke.

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Pressemitteilung
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Jugendbeiräte, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins, Gemeinderat, Verwaltungsmitarbeiter und Bürgermeister Nils Drescher (Mitte) am Grab des jung gefallenen Josef Böhm. © Gemeinde Plankstadt

Plankstadt. Beeindruckend, erschlagend, das Leid spürbar – das sind ersten Worte der Besucher beim Anblick der Kriegsgräberstätte in Andilly Département Meurthe-et-Moselle. Danach fasste Schweigen Raum, denn, wer zuerst glaubte, dass auf den einfachen Grabsteinen nur ein Name stehen würde, dem wurde bewusst, dass auf beiden Seiten jeweils drei Namen und Jahreszahlen eingeprägt waren.

„Man geht wenige Schritte im Mittelgang und hat beidseitig etwa 700 Verstorbene abgeschritten“, betonte Bürgermeister Nils Drescher noch einmal den Eindruck von Bedrückung, dem sich niemand entziehen konnte. „Man hat wenigstens einen Ort, an dem man trauern kann“, stellte eine Jugendbeirätin leise fest, „die waren alle so jung.“ Die Geburtsjahre und Sterbejahre auf den Grabsteinen zeigen einen Altersabstand von 17 bis 25 Jahren. Erschreckend, gerade in einer Zeit, in der man aus gegebenem Anlass wieder von Wehrpflicht und Aufstockung der Verteidigung sprechen muss, schreibt die Gemeinde in einer Pressemitteilung.

„Les tombes de soldats sont les grands prédicateurs de la Paix (im Original: ‚Kriegsgräber sind die großen Prediger des Friedens‘)“: Diese Worte von Nobelpreisträger Albert Schweitzer, die am Eingang des Soldatenfriedhofs in Andilly im Département Meurthe-et-Moselle stehen, sollen die Menschen aufrütteln, damals wie heute, wo die Welt erneuten Bedrohung gegenüberstehen.

Spurensuche in Plankstadt: Wer war der junge Mann?

Gemeindearchivar Ulrich Kobelke hat sich auf die Spur des jungen Josef Böhm gemacht, dessen Grab sich in Andilly findet: „Wer die 35.000 Gräber deutscher Soldaten in Andilly vor sich sieht, erhält einen Eindruck von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Anfang September 1944 stießen die alliierten Truppen Richtung Deutschland vor: vom Rhône-Tal bis zum Kamm der Vogesen und in die Rhein-Ebene. Die Kämpfe gegen die sich zurückziehenden deutschen Truppen verursachten auf beiden Seiten schwere Verluste.“

Das Ergebnis der Recherche

  • Gemeindearchivar Ulrich Kobelke recherchierte nach den wenigen Angaben und machte in den Standesbüchern der Gemeinde den jungen Mann ausfindig. Eugen Pfaff hatte Josef Böhm 1979 bei den Gefallenen des Zweiten Weltkriegs aufgelistet.
  • Der Schuhmacher und Grenadier Josef Böhm wurde am 10. Juli 1926 als Sohn des Johann Böhm und seiner Ehefrau Elsa, geb. Lück in Plankstadt in der Hildastraße 47 geboren. Er ist am 17. November 1944 in Eschwiller/Frankreich gefallen. Der junge Mann wurde nur 18 Jahre alt.
  • Diese Todesnachricht erreichte Plankstadt durch die deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der Deutschen Wehrmacht Berlin vom 23. April 1946. Beurkundet hat diesen Eintrag ins Sterbebuch der damalige Plankstädter Bürgermeister Karl Eberwein. Die Recherche, ob es noch lebende Verwandte des Gefallenen Josef Böhm gibt, ergab bislang kein Ergebnis.

Im Jahr 1944 legten die amerikanischen Truppen hier einen vorläufigen Friedhof für ihre eigenen Gefallenen und die der sich zurückziehenden deutschen Truppen an. Dieser vorläufige Friedhof umfasste 5.000 Gräber. Nach dem Krieg überführten die Amerikaner ihre Soldaten in die Amerikanische Kriegsgräberstätte Saint-Avold. Dadurch wurde der Friedhof Andilly zur Deutschen Kriegsgräberstätte. Nach Andilly wurden 575 deutsche Gefallene aus St. Avold und 4.891 aus Epinal-Dinoze umgebettet. Dadurch nahm die Zahl der Beigesetzten in Andilly auf 11.000 zu.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (in Französisch: Service d‘Entretien des Sépultures Militaires Allemandes) wurde Anfang der 1960er-Jahre von der deutschen Bundesregierung mit der Betreuung dieses Friedhofs und der Zusammenführung der deutschen Toten des Zweiten Weltkriegs in dieser Region beauftragt. Bis 1961 wurden alle deutschen Gefallenen von den verschiedenen Kriegsschauplätzen Frankreichs nach Andilly umgebettet, so entstand mit 33.085 Gräbern die größte deutsche Kriegsgräberstätte des Zweiten Weltkriegs in Frankreich. Der Friedhof wurde am 29. September 1962 eingeweiht.

Der Plankstäder Josef Böhm liegt mit vielen weiteren Kameraden auf dem Friedhof begraben. © Gemeinde Plankstadt

Ein Hinweis des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge machte die Gemeinde auf Josef Böhm aufmerksam, der in den Kämpfen 1944 im jugendlichen Alter von 18 Jahren sein Leben verloren hatte. Bürgermeister Nils Drescher legte einen Besuch auf dem Gräberfeld an den Start einer Reise in die Plankstadter Partnerstadt Castelnau-le-Lez Anfang September. Eine frisch bepflanzte Schale und Worte des Gedenkens begleiteten diesen Besuch. Es steht fest: Auch nach 80 Jahren sind die Mitbürger, die ihr Leben für ihr Land eingesetzt hatten, in Plankstadt nicht vergessen. In seine Worte nahm Nils Drescher alle gefallenen Plankstädter auf, auf den vielen Soldatenfriedhöfen überall, auf den Schlachtfeldern der großen Kriege der Vergangenheit.

So viele Menschen aus Plankstadt starben in Kriegen

Die junge Generation in Plankstadt, für die auch der Jugendbeirat steht, ist angehalten, die Erinnerung wach zu halten, heißt es weiter. Nils Drescher sprach kurz von den großen Kriegen zwischen den beiden Ländern, dem Krieg von 1870/71, in dem zwei Plankstädter umkamen, dem Ersten Weltkrieg mit seinen fürchterlichen Schlachten von Verdun und der Schlacht an der Somme, in denen 120 Plankstädter ihr Leben verloren, letztendlich vom Zweiten Weltkrieg, der über 260 Plankstädter Soldaten das Leben kostete.

Jugendbeirätin Vanessa Stahl trägt sich in das ausliegende Besucherbuch ein. © Gemeinde Plankstadt

Noch weit mehr Plankstädter verloren im Zweiten Weltkrieg ihr Leben, die hier genannten Zahlen betreffen nur die ehemaligen Angehörigen der deutschen Wehrmacht. Dass diese Opfer nicht vergessen werden, davon zeugen zum einen die großen Soldatenfriedhöfe an den ehemaligen Kriegsschauplätzen, zum anderen aber auch die drei Denkmale für die Opfer der drei Kriege auf dem Plankstädter Friedhof auf dem Weg zur Trauerhalle.

Die Partnerschaft mit Castelnau-le-Lez sei Ausdruck, dass diese alte Feindschaft von einst überwunden ist und einer Freundschaft über Grenzen und Ideologien hinweg Raum gegeben hat. Dass dies so bleibt, dies sei ein Auftrag aller, ganz besonders aber der jungen Generation. (mit Gemeindearchivar Ulrich Kobelke)

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