Integratives Gemeinschaftswohnprojekt

Ein Zuhause für besondere junge Menschen in Schwetzingen

In der Schützenstraße in Schwetzingen haben junge Frauen und Männer mit besonderen Bedarf ihr Glück gefunden.

Von 
Jörg Runde
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Das integratives Gemeinschaftswohnprojekt in der Schützenstraße 6 in Schwetzingen Franziska, Gábor, Lea, Dennis, Marc, Pascal, liegend: Julius. © Dorothea Lenhardt

Schwetzingen. Es dauert ein einige Augenblicke, bis sich in der WG im Obergeschoss des Wohnprojekt in der Schützenstraße die Tür öffnet. Julius, der hier wohnt, ist dabei aufzuräumen und zu putzen. „Ich habe das gestern vergessen, deshalb muss ich heute ran“, sagt er und zeigt in sein Zimmer. Dort fallen einem sofort die Pokale und Medaillen ins Auge. Julius, der mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, ist erfolgreicher Schwimmer bei Poseidon Eppelheim. Zahlreiche Auszeichnungen hat er bei den Special Olympics gewonnen. Auch die Urkunde dafür, dass er durch den kompletten Millstätter See in Österreich geschwommen ist, präsentiert er stolz.

Julius ist einer von acht Bewohnern des Wohnprojekts für Menschen mit besonderem Bedarf, auf das auch Heiko Zillich vom gemeinnützigen Verein Habito richtig stolz ist. Er war von Anfang an maßgeblich an der Entstehung beteiligt. Als ehemaliger Projektleiter hat er den gesamten Prozess von der Idee bis zur Fertigstellung begleitet und bleibt bis heute eng mit dem Haus und seinen Bewohnern verbunden.

Eltern wollten eine Wohnperspektive

Die Idee für das Wohnprojekt kam ursprünglich von einer engagierten Elternschaft, die sich im Verein Pro Down Heidelberg e.V. organisiert hat. Diese Eltern hatten sich jahrelang um die Inklusion ihrer Kinder in Kindergärten und Schulen bemüht. Doch als ihre Kinder erwachsen wurden, stellte sich die Frage nach einer geeigneten Wohnperspektive. Alleine zu leben war für viele keine Option, und ein klassisches Heim kam ebenfalls nicht in Frage. „So entstand der Wunsch nach einem barrierefreien Wohnprojekt, das Selbstständigkeit und Gemeinschaft vereint“, sagt Zillich.

Die Realisierung dieses Projekts begann mit einem glücklichen Zufall: Ein städtisches Gebäude stand zur Verfügung. Nach eingehender Prüfung entschieden sich die Verantwortlichen für einen Neubau, um die Barrierefreiheit und die gestellten Förderkriterien zu erfüllen. Dank der Unterstützung durch verschiedene Stiftungen, darunter die „Aktion Mensch“, die „Dietmar Hopp Stiftung“ und die „Stiftung Wohnhilfe“, sowie zahlreiche private Spender konnte der Bau schließlich umgesetzt werden.

Die Wohnungen sind bewusst schlicht gehalten und bieten den Bewohnern Raum, ihre persönlichen Wohnträume zu verwirklichen. Der Gemeinschaftsbereich im Erdgeschoss mit Wohn- und Esszimmer sowie einer großen Küche bildet das Herzstück des Hauses.

Im Wohn- und Essbereich spielt sich das soziale Leben der jungen Menschen ab. © Jörg Runde

„Hier findet das tägliche Leben statt – gemeinsames Abendessen und Freizeitaktivitäten stärken das Gemeinschaftsgefühl“, sagt Zillich. Bewohnerin Franziska ist schon dabei Wasser zu kochen. Am Abend ist eine Brotzeit vorgesehen. „Alles ist genau geplant. Jeder hat mal Tischdienst und muss sich dann um alles kümmern“, sagt Zillich.

Ein besonderes Augenmerk lag von Beginn der Planung auf der Beteiligung der zukünftigen Bewohner. In Workshops wurden ihre Wünsche und Vorstellungen gesammelt und in die Planung integriert. Diese Mitbestimmung schuf einen Ort, an dem sich die Bewohner wirklich zuhause fühlen können. „Die Privatsphäre jedes Einzelnen wird gewahrt, während gleichzeitig die Möglichkeit besteht, das Miteinander aktiv zu gestalten“, sagt Zillich.

Neben der Wohnsituation spielt auch die Einbindung in das gesellschaftliche Leben eine große Rolle. Die Bewohner gehen verschiedenen Tätigkeiten nach, sei es in Werkstätten oder auf ausgelagerten Arbeitsplätzen. Julius fährt zum Beispiel jeden Morgen ins Habito-Mehrgenerationenhaus nach Heidelberg-Rohrbach. „Ich stehe um sechs Uhr auf und fahre dann mit Bus und Bahnen an meine Arbeitsstelle nach Heidelberg“, erzählt Julius. Rund eineinhalb Stunden ist er dafür unterwegs.

Auch Freizeitangebote in den verschiedenen Vereinen nehmen die Bewohner wahr. Till ist zum Beispiel beim TV Schwetzingen als Tischtennisspieler und Trainer aktiv. Seinen Mitbewohner Gábor zieht es an diesem Abend noch zum Kegeln.

Ein besonderes Highlight ist die Offenheit des Hauses gegenüber der Nachbarschaft und der Stadtgesellschaft. Multifunktionale Räume stehen für Veranstaltungen und Treffen zur Verfügung, und regelmäßig finden Nachbarschafts- und Vereinstreffen statt. Diese Öffnung nach außen stärkt das inklusive Konzept und fördert den Austausch zwischen den Bewohnern und der Gesellschaft.

Heiko Zillich war von Anfang an in das Wohnprojekt in der Schwetzinger Schützenstrße eingebunden. © Jörg Runde

Zillich und die beteiligten Eltern sind stolz auf das Erreichte. Die Bewohner haben ein Zuhause gefunden, das ihnen nicht nur Sicherheit, sondern auch die Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung bietet. Die Unterstützung durch das engagierte Personal ermöglicht es den jungen Erwachsenen, schrittweise mehr Selbstständigkeit zu erlangen. „Das ist in vielen Situationen schon noch nötig“, sagt Zillich. Beim Wäsche waschen zum Beispiel oder auch bei den abendlichen Essen. „Tagsüber esssen die meisten ja an ihren Arbeitsstätten eine warme Mahlzeit.“

Julius spürt man jedenfalls die Dankbarkeit und Zufriedenheit in jedem Augenblick an. „Ich lebe sehr gerne hier“, sagt er und fügt schmunzelnd an: „Daran ändert auch das Putzen nichts.“

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