Schwetzingen. „Hoffnung atmen“ war das Thema des Literaturgottesdienstes in der evangelischen Stadtkirche. Im Mittelpunkt der sehr gut besuchten Veranstaltung standen der Roman „Morgen und Abend“ des norwegischen Literaturnobelpreisträgers, Jon Fosse und Gedichte des großen Lyrikers der frühen Moderne, Rainer Maria Rilke. So unterschiedlich diese beiden Dichter auch sein mögen, so teilen sie doch Vieles: Als spirituell geprägte Menschen suchen beide Gottes Spuren in der Welt, im Menschen, nicht zuletzt in sich selbst. Beide schwierige Einzelgänger, zeigen sie doch eine große Menschenfreundlichkeit. Als Gottsucher sind sie Zweifelnde und Hoffende.
„Das musst du wissen, dass Gott dich durchweht von Anbeginn an“, sagt Rilke; Fosse betont, dass er Stille brauche, um Gott nahe zu sein und dass nur dies ihm das Schreiben ermögliche. In seinem Roman „Morgen und Abend“ geht es um das Leben des einfachen Fischers Johannes in einem norwegischen Fjord. Am Morgen seines Lebens steht seine Geburt, erzählt aus der Sicht des wartenden Vaters: Die Zukunft ist offen, alles scheint möglich, zugleich erweist sich der Mensch von Anfang an als vulnerabel. Im zweiten Teil, dem Abend des Lebens, geht es um den Sterbetag des alt gewordenen Fischers Johannes, der nach einem bescheidenen, aber erfüllten Leben zurückblickt, zugleich aber nun dem Tod entgegentreten muss. Er macht die Erfahrung, dass hinter der Angst ein Licht leuchtet, das auf ihn zukommt. Das Licht steht als Metapher für den aufscheinenden Glanz Gottes.
Einfühlsame Musikbegleitung des Organisten Alexander Levental
Die christliche Auferstehungshoffnung, die sich hier andeutet, legte Professor Michael Plathow in seiner Predigt dar. Für Christen bestehe diese Hoffnung in den Verheißungen Gottes, die sich beispielhaft im Leben, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus offenbart haben. Diese Perspektive des christlichen Glaubens konnte die vorher eingebrachten literarischen Werke vielschichtiger beleuchten und vertiefen. Die einfühlsame Musikbegleitung des Organisten Alexander Levental verstärkte die vorgetragenen Wortbeiträge.
Im anschließenden Kirchencafé gab es bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen sowie Erfrischungsgetränken rege Nachgespräche und Ideenaustausch. „Das Zusammenbringen von Literatur und Religion war spannend, eine stimmige Begegnung“, sagte Dr. Waltraud Mebes, sie schätze das innovative Format der Literaturgottesdienste sehr. Viele Besucher waren nach eigener Aussage aus literarischem Interesse gekommen, um Jon Fosse kennenzulernen oder mehr von Rilke zu hören. Neugierig waren sie auch, welche Hoffnung in deren Werken zu finden sei und wie dies in Zusammenhang mit dem christlichen Glauben zu sehen sei. „Hoffnung ist das, was wir in diesen Tagen brauchen“, meinte Gertraud Huckele, „deswegen bin ich gekommen.“ Immer wieder war der Wunsch zu hören, weitere Begegnungen von Literatur und Religion in einem Gottesdienst zu erleben.
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