Türkei

Opposition in Furcht nach Erdogan-Sieg

Der wiedergewählte türkische Präsident verspricht, dass mit ihm niemand im Land verliert – und schießt sich gleichzeitig auf seine Gegner ein

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dpa
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Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan feiern in Kahramanmaras nach dem Ergebnis der Stichwahl, die der Amtsinhaber vor seinem Herausforderer Kilicdaroglu gewonnen hat. © Hakan Akgun/Dia Images/AP/dpa

Istanbul. Am Tag nach der Wiederwahl von Recep Tayyip Erdogan zum Präsidenten haben die türkische Opposition und Experten vor möglichen Konsequenzen einer erneuten Amtszeit des Staatschefs gewarnt. „Erdogan hetzt bereits in seinen ersten Reden gegen LGBT und missbraucht sie damit grausam als Spielball für seine menschenfeindliche Propaganda“, sagte der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Max Lucks (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. Queere Organisationen im Land hatten bereits vor der Wahl Aufrufe gegen Erdogan gestartet.

Erdogan hat am Sonntagabend die Stichwahl gegen den Oppositionskandidaten der Partei CHP, Kemal Kilicdaroglu, gewonnen und hetzte wenig später: „Meine Brüder, ist diese CHP denn nicht für die LGBT?“ In seinem eigenen Wahlbündnis gebe es so etwas nicht, so Erdogan. Er erhielt dafür laute Zustimmung aus dem Publikum.

Internationale Glückwünsche

Besonders unter jungen Oppositionellen dürfte der erneute Wahlsieg des konservativ-islamischen Politikers die Frustration befeuern. Erdogan übt seit Jahren starken Druck auf die Kreativbranche aus. Der in Deutschland lebende türkische Rapper Ezhel schrieb etwa auf Insta-gram, er wolle vorerst nicht in die Türkei zurückkehren. „Ich habe genug von meinem Land“, schrieb er. Ezhel ist bekannt für regierungskritische Texte.

Internationale Partner beglückwünschten den neuen alten Staatschef des Nato-Landes zu seinem Sieg. Aus Israel, an das sich die Türkei erst kürzlich wieder angenähert hat, schrieb Staatspräsident Izchak Herzog: „Ich bin überzeugt, dass wir weiter zusammenarbeiten werden, um die guten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel zu stärken und auszubauen.“ Auch aus der EU und den USA kamen Glückwünsche, obwohl Erdogan mit scharf anti-westlichen Parolen den Wahlkampf geführt hatte. Unter anderem warf er ausländischen Medien Sturzversuche gegen ihn vor.

Die Türkei ist ein wichtiger Partner der EU etwa wegen des Flüchtlingsabkommens. Die Beziehungen sind jedoch chronisch konfliktgeladen. Auch das Verhältnis zu Deutschland ist von häufigen Spannungen geprägt. Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte nach dem Wahlsieg Erdogans am Sonntagabend dennoch die Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei. Auch Kremlchef Wladimir Putin, dem eine gute persönliche Beziehung zu Erdogan nachgesagt wird, gratulierte umgehend, ebenso der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Zum Wahlsieg Erdogans haben auch die Wähler in Deutschland beigetragen. Eine deutliche Mehrheit der Wahlberechtigten stimmte für den Amtsinhaber. Beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland kam der Amtsinhaber bei dieser Gruppe auf 67,4 Prozent der Stimmen, wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hervorging.

In der Türkei konnte Erdogan vor allem Stimmen aus Provinzen in Zentralanatolien und der Schwarzmeerregion ziehen. In der Erdbebenregion lag er in fast allen Provinzen vorn. Die bevölkerungsreichsten Provinzen – Istanbul, Ankara und Izmir – gingen jedoch an die Opposition, ebenso der mehrheitlich kurdische Südosten des Landes. Der prokurdischen HDP droht ein Verbot, ihr ehemaliger Chef Selahattin Demirtas sitzt bereits im Gefängnis. Gegen ihn schoss der wiedergewählte Präsident gleich am Sonntagabend: Demirtas sei ein Terrorist, den er niemals freilassen werde. dpa

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