Das Problem reicht tiefer

Von 
Gudrun Büscher
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Der Zustand des slowakischen Regierungschefs Robert Fico hat sich nach dem Anschlag auf sein Leben stabilisiert. Für die Lage in dem kleinen Land kann man das nicht behaupten. Die Slowakei ist zutiefst gespalten und emotional extrem aufgeladen. Blanker Hass durchzieht Politik und Gesellschaft, den auch Fico mit geschürt hat. Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova ist in großer Sorge. Die Schüsse habe zwar ein einzelner Täter abgegeben, „aber die angespannte Atmosphäre des Hasses war unser gemeinsames Werk“, sagt sie. Hass dürfe aber nicht mit Hass vergolten werden.

Der Blick in dieses kleine Mitgliedsland der EU ist wichtig, um zu erkennen, was geschieht, wenn die Saat des Hasses aufgeht. Auch Deutschland ist verwundbar. Das ist spätestens seit dem 2. Juni 2019 klar, als ein Rechtsradikaler den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke mit einem Kopfschuss tötete. Die Beleidigungen und Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker im Internet haben über die Jahre ein unerträgliches Ausmaß angenommen. Jetzt aber verstärken sich verbale und tätliche Angriffe auch auf der Straße. Die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, sinkt gefährlich.

Es klingt vertraut, wenn jetzt nach einer Verschärfung der Gesetze gerufen wird. Es ist der einfachste Weg, Handlungsfähigkeit zu zeigen. Sachsens Justizministerin Katja Meier will „politisches Stalking“ unter Strafe stellen. Es ist ein Herumdoktern an Symptomen. Das Gesetz bietet bereits ausreichend Möglichkeiten, auf Gewalt zu reagieren. Nur müssen Polizei und Justiz auch in der Lage sein, sie zu nutzen. Viel schneller als bisher müssen Straftaten aufgeklärt und abgeurteilt werden. Genau daran hapert es.

Das eigentliche Problem geht viel tiefer. So steht Donald Trump für die Krise, in der sich die USA befinden. Würde er sich morgen aus der Politik zurückziehen, würden die Einstellungen seiner Anhänger trotzdem bleiben. Ähnlich verhält es sich mit der AfD. Ein Verbot würde nur oberflächlich eine Lösung schaffen. Ihre potenziellen Wählerinnen und Wähler müssen überzeugt werden, dass sie sich mit der „Alternative“ auf dem Holzweg befinden. Das ist mühsam. Und wer hat sich nicht schon dabei erwischt, dieser Diskussion ausgewichen zu sein. Kurz vor der Europawahl und kurz bevor unser Grundgesetz 75 Jahre alt wird, braucht das Land eine Selbstvergewisserung. Jeder Einzelne ist gefragt, damit Hass und Polarisierung nicht ausufern wie in der Slowakei, damit der gesellschaftliche Grundkonsens nicht verloren geht.

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