Kommentar Jetzt ist Nagelsmanns Pioniergeist gefragt

Nach den Rücktritten von Toni Kroos und Ilkay Gündogan muss Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann ein neues Mittelfeldzentrum kreieren. Für diese Aufgabe ist Nagelsmann prädestiniert. Aber er sollte es nicht übertreiben, meint Marc Stevermüer

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Marc Stevermüer
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Es ist eine herausfordernde Situation. Aber eben auch eine, die Julian Nagelsmann liebt. Der Bundestrainer gilt als experimentierfreudiger Fußball-Fachmann. Zu sehen war das in der Bundesliga. Und zu sehen war es auch zu Beginn seiner Amtszeit als Bundestrainer. Man denke nur an Kai Havertz auf der linken Außenverteidigerposition – was schiefging, weshalb Nagelsmann richtigerweise für die Heim-EM einen pragmatischeren Ansatz wählte. Er legte sich auf eine Stammelf fest, wenn man mal vom Viertelfinale gegen Spanien absieht. Was übrigens gleich mit dem Turnier-Aus bestraft wurde.

Damals lag der 37-Jährige falsch. Doch genau dieser Pioniergeist ist jetzt gefragt. Denn nach den Rücktritten von Ilkay Gündogan und Toni Kroos muss der Bundestrainer ein neues Mittelfeldzentrum kreieren. Die gute Nachricht: Es eröffnen sich mehrere Möglichkeiten.

Naheliegend wäre es, Joshua Kimmich wieder von der Rechtsverteidigerposition ins Mittelfeld zu ziehen. Gleichzeitig würde sich Nagelsmann damit aber ein neues Problem schaffen. Es gibt hinten rechts in Deutschland keinen Besseren als Kimmich. Vielleicht wäre es aber doch einen Versuch mit Benjamin Henrichs oder Josha Vagnoman wert. Wenngleich Letzterer verletzungsbedingt zuletzt mehr fehlte als spielte.

Natürlich drängt sich auch Angelo Stiller fürs Mittelfeld auf, der eine überragende Saison beim VfB Stuttgart spielte und von seinem Stil Kroos sehr nahekommt. Oder der Mannheimer Pascal Groß, der seinen Wert mehrfach bewiesen hat – aber mit seinen 33 Jahren keine Zukunftslösung wäre. Und nicht zuletzt ist da noch Toptalent Aleksandar Pavlovic, der im DFB-Pokal in der Startelf des FC Bayern stand. Doch wird er das auch noch, wenn 51-Millionen-Euro-Zugang João Palhinha einsatzfähig ist?

Einfacher dürfte es werden, den Gündogan-Part zu besetzen. Jamal Musiala und Florian Wirtz fühlen sich im Zentrum ohnehin wohler als auf den Außenpositionen, wo sie bei der EM viel spielten. Wird einer von ihnen in die Mitte versetzt, ist Platz in der Startelf für einen Flügelflitzer. Verdient hätte es Brajan Gruda. Und gewiss nicht Leroy Sané.

Die kommenden Länderspielmonate werden also spannend. Nur eines sollte Nagelsmann verinnerlichen. Die Zeit der Experimente muss deutlich vor der WM 2026 enden. Weltmeister Argentinien und Europameister Spanien legten vor ihren Triumphen jeweils lange Siegesserien hin. Sie traten bei den Turnieren mit eingespielten Mannschaften an – und dienen als Vorbilder.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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