Wer es mit gerne und oft verwendeten Begriffen wie „Mobilitätswende“ wirklich ernst meint, der muss endlich konsequent sein und damit beginnen, die Straßen deutlicher durch die Brille der Radfahrer zu betrachten. Dazu wäre es notwendig, dass die Herren Oberbürgermeister und Baudirektoren in Städten und übergeordneten Genehmigungsbehörden auch mal den Helm aufziehen und in die Pedalen treten, bevor sie hanebüchene Entscheidungen treffen, die in der Realität oft an den kleinsten Zwängen scheitern. Das sagt einer, der seit einem Jahr auf ein eigenes Auto verzichtet und fast nur noch mit dem Drahtesel unterwegs ist. Mit Blick auf die Radpolitik ist Deutschland im Vergleich zu den skandinavischen Staaten oder auch den Niederlanden weiterhin Entwicklungsland, auch wenn es hierzulande erste zarte Knospen gibt.
Einen inzwischen fast epischen Katastrophenfall stellt leider die Radwegeplanung rund um die sanierte Salierbrücke zwischen Speyer und Altlußheim dar, wo immerhin zwei Bundesländer miteinander verbunden werden. Das könnte man einfacher, günstiger, sicherer und sogar noch schöner haben. Achtung Ironie: Die verbreiterte Autostraße zwischen Hockenheim und Speyer musste die Feldlerche im Zuge der Brückensanierung einfach hinnehmen. Und was ist mit einer Fahrradtrasse daneben? Geht nicht - wegen der Feldlerche. Sagt jedenfalls das Regierungspräsidium, das lieber akzeptiert, dass Radfahrer mitunter wild an einer Bundesstraße entlanggondeln, weil sie dasselbe Recht haben wollen wie die Autofahrer: den kürzesten Weg zum Ziel.
Wer weniger Autos in der Stadt haben will, das gilt auch für Mannheim, muss für Radfahrer Wege schaffen, in und durch die Stadt zu kommen. Das ist an der beschriebenen Stelle leider gründlich missraten. Ob ein adäquater Weg im dritten Jahr nach der Brückensanierung entsteht, ist immer noch nicht gesichert. Es gibt leise Zusagen.
Zurück zur großen Politik: Wie ein Paradigmenwechsel real aussehen kann, können sich beispielsweise Paris-Touristen aus der Nähe anschauen. Dort wurden innerhalb weniger Jahre zentrale Autotrassen entlang der Seine einfach für andere Verkehrsmittel erschlossen. Am Arc de Triomphe de l’etoile, einst automäßig einer der heiß umkämpftesten Kreisel Europas, bahnen sich jetzt auch Fahrräder ihren Weg. Wer hätte das für möglich gehalten? Wer die Verkehrswende will, der muss tatsächlich das Rad neu erfinden - und damit ist nicht das Rad des Autos gemeint.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Verkehr: Die alleinige Dominanz des Autos muss enden
MM-Redakteur Stephan Alfter über die steigende Bedeutung von Fahrradwegen und ein schlechtes Beispiel bei Altlußheim