Mannheim. Badewetter schon im Mai und viele in der Vorsaison noch unbewachte Badestellen haben die Zahl der Ertrunkenen in Deutschland in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auf 199 steigen lassen – ein Anstieg um 15 im Vergleich zum Vorjahr. Dagegen sind in Baden-Württemberg im gleichen Zeitraum mindestens 14 Menschen ertrunken – das sind neun weniger als im Vorjahr. Insgesamt war die Zahl der Badetoten in südwestlichen Seen, Flüssen und Gewässern bereits 2021 leicht gesunken. 35 Menschen kamen auf diese Weise um, im Jahr zuvor waren es laut DLRG noch 39 Menschen.
Die Mehrzahl der Unfälle ereignet sich nach DLRG-Angaben im Binnenland in unbewachten Gewässern, wie etwa am Vogelstangsee in Mannheim. Schlimmeres verhindern konnten dort Anfang August aufmerksame Badegäste. Einer der Lebensretter berichtet nun, wie er einen 15-jährigen Nichtschwimmer vom Grund des Sees gefischt hat. „Wir haben eine steigende Zahl von Nichtschwimmern“, warnt außerdem DLRG-Präsidentin Ute Vogt. So wirke sich die Pandemie negativ auf die Schwimmausbildung aus, die in dieser Zeit gelitten habe. Bei Rettungen stelle sich oft heraus, dass Kinder und Jugendliche überhaupt nicht schwimmen können.
Kostenlose Anfängerkurse
Entlastung soll im Südwesten das Pilotprogramm „SchwimmFidel – ab ins Wasser!“bringen, das bis September 2023 verlängert wird. Das Programm will landesweit kostenlose Anfänger-Schwimmkurse für Kinder ermöglichen, so das Kultusministerium in Stuttgart. Durch Kooperationen zwischen Kindertageseinrichtungen und Schwimmvereinen oder DLRG-Ortsgruppen soll die Schwimmfähigkeit von Kindern im Vorschulalter verbessert werden.
Auch in Mannheim gibt es laut Thekla Südhof, Ausbilderin und DLRG-Leiterin im Neckarauer Hallenbad nicht genügend Schwimmkurse für alle Kinder. Grund dafür seien auch fehlende qualifizierte Trainer sowie fehlende Wasserzeiten.
Auf Anfrage dieser Zeitung warnte Olympiasiegerin Franziska van Almsick davor, dass „das Thema leider nicht wirklich ernst genommen“ wird. „Schon vor Corona war Ertrinken die zweithäufigste Todesursache bei Kindern“, sagte van Almsick. Mit seiner gleichnamigen Stiftung hat es sich der Ex-Schwimmstar zum Ziel gemacht, allen Kindern Schwimmen beizubringen. Die Stiftung unterstützt Grundschulen etwa mit Assistenz-Trainern im Schwimmunterricht, übernimmt Fahrtkosten.
Van Almsick befürchtet, dass durch ausgefallenen Unterricht dieses Jahr besonders dramatisch im Bezug auf Badeunfälle werden könne. Ihr Appell an alle Eltern: „Lassen Sie Ihr Kind nicht aus den Augen. Dieses Jahr müssen wir alle Bademeister sein.“
Hinzu kommt der Mangel an Rettungsschwimmern in der Vorsaison. Der Grund: Während der Pandemie seien nur halb so viele Rettungsschwimmer ausgebildet worden wie sonst: „Sowohl in der Schwimm- als auch in der Rettungsschwimmausbildung sind weitere große Anstrengungen nötig, um das Verlorene aufzuholen“, so DLRG-Präsidentin Vogt.
Hallenbäder sollen offenbleiben
Die ehrenamtlichen Lebensrettenden werden nicht nur bundesweit vermisst. So appelliert Thorsten Großstück, stellvertretender Vorsitzender der DLRG Mannheim an jeden und jede, sich zum Rettungsschwimmer ausbilden zu lassen. Das gehöre wie ein Erster-Hilfe-Kurs zum Grundwissen dazu. Um mehr Kurse anbieten zu können, braucht es laut Großstück aber auch verfügbare Wasserflächen. Das fordert auch die DLRG-Präsidentin: Wichtig sei, dass nach Corona jetzt nicht wegen der Energiekrise die Schwimmbäder noch einmal geschlossen werden. Bei Ausbildungsbädern könne aber die Temperatur gesenkt werden. lia/dpa
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