Jahrestag - Innerhalb von 37 Sekunden verbrennt der Zeppelin mit den Hakenkreuzen am Heck in der Nähe von New York, einzig das Aluminiumgerippe bleibt übrig

Stolz deutscher Luftschifffahrt endet in einem Inferno

Von 
Ulrich Zander
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Die "Hindenburg" geht beim Landeanflug in Lakehurst nahe New York in Flammen auf.

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Vor 75 Jahren explodiert der Zeppelin "Hindenburg", aus Frankfurt kommend, beim Landeanflug in Lakehurst bei New York. 36 Menschen sterben, über die Ursache wird noch heute spekuliert.

Mit ruhiger Stimme schildert Herbert Morrison das Anlegemanöver des größten Luftschiffes aller Zeiten, der LZ 129 "Hindenburg". "Die Seile sind ausgeworfen und die Männer am Boden haben sie aufgefangen. Die Heckmotoren des Schiffes halten es gerade in ausreichender Höhe, damit. . ." Plötzlich kippt die Stimme des Rundfunkreporters: "Es steht in Flammen, es steht in Flammen, es fällt, es stürzt ab. Achtung Leute, weg da, weg da. Es stürzt ab, furchtbar. Oh Gott, haut ab da, bitte. Es fällt auf den Ankermast (...) eine der schlimmsten Katastrophen der Welt. Die Flammen schlagen 150 Meter in den Himmel, jetzt steht alles in Rauch und Flammen. . ." Herbert schluchzt, unterbricht, ringt nach Fassung. "Oh, die Passagiere", stammelt er, "die Passagiere."

Obwohl Radiohörer die Reportage erst mit Verzögerung zu hören bekamen, blieb sie der einzige Live-Augenzeugenbericht von der Jahrhundertkatastrophe. Und dient bis heute dazu, die Wochenschau-Filmaufnahmen authentisch zu vertonen.

Es geschah um 19.25 Uhr Ortszeit in Lakehurst nahe New York. Eine Explosion lässt Landungshelfer und Schaulustige erstarren. Innerhalb von 37 Sekunden ist der Zeppelin mit den Hakenkreuzen am Heck verbrannt, einzig das Aluminiumgerippe bleibt übrig. Das Bodenpersonal rennt um sein Leben; Sekunden zuvor hatten Passagiere noch versucht, aus der Gondel zu springen.

Schreie auf dem Flugfeld

"Ich dachte nur noch ,raus hier' und bin dann aus sechs oder acht Metern gesprungen", erinnerte sich Albert Stöffler, einer der Bordköche. Andere fielen in den Tod, weil sich das Schiff noch in zu großer Höhe befand. Wer den Sprung nicht wagte, lief Gefahr, im Inferno unterzugehen. Brennende Menschen taumeln aus der Flammenhölle, die Schmerzensschreie der Verletzten hallen über das Flugfeld.

Das Unglück forderte insgesamt 36 Menschenleben: 13 Passagiere, 22 Crewmitglieder und ein Arbeiter der Landemannschaft. 23 Passagiere und 39 Mann Besatzung überlebten. Der 247 Meter lange, 44 Meter hohe und 130 Tonnen "leichte" Gigant der Lüfte war mit 200 000 Kubikmetern Wasserstoff gefüllt. Dieser ist brennbar - die Crew bewegte sich daher auf Filzstiefeln über die Aluminiumstreben des Schiffes, um nur ja keinen Funken auszulösen. Der Luftdruck im Fahrgastbereich war genügend hoch, um eindringenden Wasserstoff zu verdrängen. Die bessere Füllmasse für den Zeppelin wäre das nicht brennbare Helium. Doch das ist in den 30er Jahren fast ausschließlich im Besitz der USA.

Das Luftschiff, benannt nach dem verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wurde von vier Dieselmotoren angetrieben; allein im Jahre 1936 reiste es zehnmal an die US-Ostküste und siebenmal nach Rio de Janeiro. Deutschlands Stolz der Lüfte bot den Fahrgästen allen Luxus: Fünf Köche servierten Menüs, die den Vergleich mit den besten Gourmettempeln nicht zu scheuen brauchten.

Die "Fliegende Zigarre" fuhr "auf Bodensicht", für die Passagiere nahezu lautlos. Die Überfahrt kostete rund 400 US-Dollar. Unerschwinglich für Otto Normalverbraucher. Berühmtester Fluggast war Schwergewichtsboxer Max Schmeling, der nach seinem K.o.-Sieg über den Amerikaner Joe Louis im Juni 1936 in die Heimat zurückschwebte.

Auf ihrer letzten Reise hat die LZ 129 zehn Stunden Verspätung. Gegenwind. Über Manhattan erreicht den Kommandanten, Max Pruss (der das Desaster überleben sollte) die Nachricht, dass über Lakehurst, dem New Yorker Luftschiffankerplatz im Bundesstaat New Jersey, ein Gewitter aufzieht. Blitze und Windböen sind besonders beim Landemanöver potenziell gefährlich für mit Wasserstoff gefüllte Luftschiffe. Pruss verschiebt das Andockmanöver, zieht eineinhalb Stunden lang Kreise. Dann kommt die Landegenehmigung: Gefahr vorbei. Sekunden später hat sich das Luftschiff in einen glühenden Trümmerhaufen verwandelt.

Die Meinungen über die Unfallursache gehen bis heute auseinander. Als Hauptschuldige galt die gewittrige Atmosphäre, Sachverständige beiderseits des Atlantiks gingen von einer Entladung statischer Elektrizität aus - nach dem Gewitter. Die entzündete dann "irgendwie" den Wasserstoff. Die LZ 129 hatte möglicherweise mit einem Leck im Gastank zum Landeanflug angesetzt, so dass Wasserstoff in den Raum zwischen Zelle und Hülle gelangt sein könnte. Ein Funke hätte genügt. Männer vom Bodenpersonal wollen starken Funkenschlag aus einem der Motoren bemerkt, Besatzungsmitglieder im Inneren des Luftschiffs einen Schuss gehört haben.

Wilde Sabotage-Fantasien machen die Runde. So soll das Schiff von US-Dunkelmännern mittels Strahlenkanone abgeschossen worden sein, um den USA die Vorherrschaft im Personenflugverkehr zu sichern. Oder hatte ein Anti-Nazi die Hindenburg mit einer Brandbombe zerstört? Tatsächlich hatte der deutsche Botschafter in Washington Bombendrohungen gegen das fliegende Symbol des NS-Regimes erhalten.

Aufgeladene Aluminiumhülle

Fachleute gingen dagegen von einer elektrostatischen Aufladung der Aluminiumhülle aus. Die regennassen Haltetaue seien zu Stromleitern mutiert. Eine abgewandelte Hypothese sieht die Unglücksursache im silberfarbenen Lack der Außenhülle. Der bestand aus Cellon, einem schwer brennbaren Gemisch, über dessen negative Eigenschaften wenig bekannt war.

Nach dem Unglück hatte der Physiker Max Dieckmann die am Unglücksabend herrschenden Umweltbedingungen im Labor simuliert. Und tatsächlich, die Beschichtung "explodierte". Auf die Frage, ob die Hindenburg auch ohne den Anstrich entflammt wäre, antwortete der Physiker: "Nein". Nur durch Cellon konnte sich die statische Aufladung der Zeppelinhülle aufrechterhalten, wurde nicht über die Hanfseile abgeleitet. So sei es zur Spannungsdifferenz gekommen, die wiederum Auslöser des zündenden Funkens gewesen sei.

Reichsluftwaffenchef Hermann Göring, im Ersten Weltkrieg Pilot beweglicher Jagdflugzeuge, mochte Zeppeline nicht, nannte sie "fliegende Würste." Untauglich für den Kriegseinsatz. 1940 werden die verbliebenen deutschen Luftschiffe demontiert und ausgeschlachtet. Erst seit 1995 werden in Friedrichshafen am Bodensee wieder Zeppeline gebaut. Sie sind mit Helium gefüllt.

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