Theater

AR-Brillen bei „Parsifal“ sorgen für gemischte Reaktionen bei Bayreuther Festspielen

Die Bayreuther Festspiele setzen auf Augmented Reality bei „Parsifal“, doch nicht alle Besucher sind begeistert.

Von 
Susanne Kaulich
Lesedauer: 
Spiel mit Licht: Ekaterina Gubanova (Kundry, l-r), Andreas Schager (Parsifal), Georg Zeppenfeld (Gurnemanz) im 1. Aufzug der Oper „Parsifal“ von Richard Wagner auf der Bühne. © picture alliance/dpa/Bayreuther Festspiele

Bayreuth. Ohn‘ Rast und Ruh. Zwischen „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ wird in der Bayreuther Premierenwoche „Parsifal“ eingeschoben. Für Jay Scheibs im dritten Jahr laufende Augmented Reality-Inszenierung stehen den 2000 Festspielbesuchern zwar nur 330 AR-Brillen zur Verfügung. Doch so richtig einzuschlagen scheint die Technologie nicht. In den Parkettreihen, wo die Technik eingebaut ist, tragen nicht alle Zuschauer die Sehgeräte. Und Begeisterung sieht anders aus: Die individuelle Einstellung stimme nicht, die Brille drücke, die animierten Objekte hätten überhaupt nichts mit dem Stück zu tun, die erweiterte Visualität lenke von der Bühnenhandlung nur ab. Auch die von Handkameras gefilmten großen Videoprojektionen auf der Bühne seien schlecht zu verfolgen. Ohne AR-Brille also verpasse man rein gar nichts, ist allenthalben zu hören.

Optische Eindrücke bietet Mimi Liens Bühne im ästhetisch regenbogenfarbig changierenden Licht des (verstorbenen) Lightdesigners Rainer Caspar und mit Joshua Higgasons Video-Studien genug. Zumal es erschreckend realistisch zugeht. Während Georg Zeppenfelds gediegener Gurnemanz-Erzählung sieht man gut fünfundzwanzig Minuten auf dem Rundhorizont der medizinischen Wundversorgung von Amfortas in Nahstaufnahme zu: Blut, Eiter, Subkutannähte, Salbenverband. Da wird nach allen Regeln medizinischer Kunst in der Wunde gebohrt. Und anschließend auch noch der Pfeil fachgerecht aus dem von Parsifal erlegten Schwan gezogen.

Die Kunst spannungsgeladener Generalpausen

Die Gralsszenen bleiben dagegen langweilig konventionell. Unter dem Heiligenschein ähnlichen Lichterkranz schreiten und umarmen sich die Gralsritter wie einst zu Wolfgang Wagners theatralischen Zeiten. Wenn da nicht Michael Volles darstellerisch wie stimmlich enorm expressiver Amfortas und Titurels (Tobias Kehrer) erstaunliche Verjüngung nach dem Gralsgenuss wären.

Auf Befehl des teuflischen Klingsor von Jordan Shanahan verführt und verflucht die edel singende Ekaterina Gubanova mit leicht gutturalem Timbre als elegante Kundry den tumben Toren – ihrem kontrollierten Mienenspiel sieht man gerne auch in Nahaufnahme zu. Weniger gilt das für die Blumenmädchen. Und auch Andreas Schagers (Parsifal) körperlich engagierten Gesang muss man nicht aus extremer Nähe verfolgen. Nicht immer exakt in Rhythmik, Metrik und Intonation, mit einem Manko an Legato glänzt der Tenor mit stupend metallischen Spitzentönen. Meentje Nielsens zumindest gewöhnungsbedürftige Kostüme wirken aus der Nähe ebenfalls nicht besser.

Gespannt war man auf den völlig neu zusammengesetzten Chor unter Thomas Eitler de Lints Parsifal-Debut. Vielleicht hat man manche Passage noch wuchtiger im Ohr, aber Klang und Farbe sind bis in die Höhenchöre voll und ausgewogen. Pablo Heras-Casado dirigiert zügig, stellenweise geradezu aufregend – auch durch die Kunst seiner spannungsgeladenen Generalpausen. Rhythmisch prägnant das aufwühlende Vorspiel zum zweiten Akt, fließende Fülle des Wohllauts im Karfreitagszauber. Was sich inszenatorisch mit oder ohne AR-Brille nicht erschließt, wird durch musikalische Qualität ausgeglichen.

Freie Autorin freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke