Es gibt lobende Buchrezensionen – und es gibt Besprechungen, bei denen die Rezensierenden sich vor Begeisterung überschlagen. Bei Leif Randts „Allegro Pastell“ war das der Fall. Der Literaturkritiker Ijoma Mangold kam in der „Zeit“ aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: Der Roman sei die „perfekte Durchdringung der Gegenwart“, schrieb er im März 2020. Mangold sprach gar vom Werk eines Superhirns, vom möglichen Ausgangspunkt einer neuen Jugendbewegung.
Diese Jugendbewegung ist nicht absehbar – was allerdings mit Corona zu tun hat: Als der Roman im März 2020 erschien, wirkte das drogenbefeuerte Partyleben der zwei Hauptfiguren angesichts des ersten Lockdowns schon wieder aus der Zeit gefallen. Randts Meisterwerk spielt dann auch keine Rolle, als er zusammen mit dem Feuilletonisten Felix Stephan (Süddeutsche Zeitung) beim Literaturfest „Lesen.Hören“ in der Alten Feuerwache auftritt. Die beiden kennen sich seit zehn Jahren. „Treffen sich zwei Freunde“, lautet das Format, bei dem Bühnengäste ohne genaue Vorbereitung einen Abend bestreiten.
Besuch am Ballermann
Über den Schriftsteller Randt erfährt man bei dieser Gelegenheit weniger als über den Journalisten Stephan: Das Literaturgenie ist auf angenehme Weise zurückhaltend, interessiert sich für andere Menschen und kreist nicht ständig um sich selbst.
Gelesen wird auch. Stephan trägt einen Text vor, den er über den Begriff der „awkwardness“ geschrieben hat. Mit dem englischen „awkward“ werden peinliche Situationen in menschlichen Begegnungen bezeichnet. Situationen, in denen sich Menschen unbeholfen gegenüberstehen, weil sie die Codes des anderen nicht verstehen oder unterschiedlichen Milieus angehören.
Obwohl nicht geplant, passt die folgende Erzählung, die Leif Randt liest, perfekt zu diesem Thema: Der Schriftsteller zeichnet einen Besuch mit zwei Freunden am Ballermann von Mallorca nach. Das Trio tapst unbeholfen über die Partymeile. Zu echtem Kontakt mit Feiernden kommt es nicht, weil man in unterschiedlichen Welten lebt und nicht weiß, was man sich zu sagen hat. Auch mit diesem Text erweist sich Randt als virtuoser Betrachter der (damaligen) Gegenwart. Und als selbstkritisch: Dass er und seine Freunde Fremdkörper blieben, lag auch daran, dass sie nicht in der Lage waren, Gespräche mit den Ballermann-Touristen aufzubauen.
Weder Randt noch Stephan sind das, was man gemeinhin als „Rampensau“ bezeichnet. Das macht sie sympathisch – aber bisweilen auch ein bisschen unsouverän im Umgang mit dem Publikum. Zum Schluss liest Leif Randt noch einen zweiten Text und beschließt den Abend mit einem kurzen: „Schluss!“ Man stehe noch für Gespräche bereit. Das Publikum hätte wohl eine etwas ausführlichere Verabschiedung erwartet. Dieses Ende eines gelungenen Abends ist dann leider, man kann es nicht anders sagen, ein bisschen „awkward“.
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