Kino

Der neue Film: „One to One: John & Yoko“

Kevin Macdonald rekonstruiert in „One to One: John & Yoko“ jene Monate, in denen der Ex-Beatle und seine Ehefrau im New Yorker Greenwich Village lebten.

Von 
Gebhard Hölzl
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John Lennon und Yoko Ono in einer Szene des Films "One To One: John & Yoko". © Bob Gruen/Piece of Magic Entertainment/dpa

Mit einem Highlight für Beatles- und John-Lennon-Fans steigt Kevin Macdonald in seine Dokumentation ein. Mit einem Ausschnitt aus dem Titel gebenden „One to One“-(Benefiz-)Konzert, das Lennon am 30. August 1972 im New Yorker Madison Square Garden zu Gunsten des „Willowbrook House“, einem Kinder- und Behindertenheim, gab. Sein einziges Solo-Konzert, auf dem er Evergreens wie „Power to the People“, „Come Together“, „Hound Dog“, „Instant Karma“, „Imagine“ und „Give Peace a Chance“ zum Besten gab. Erst 1986 – sechs Jahre nachdem er vor dem Dakota Building erschossen worden war – wurde der Gig als Tonträger und Video veröffentlicht, bei jedem Sammler, jedem Fan, steht „Live in New York City“ im Regal.

Ein Musikfilm. Zudem ein Porträt über Lennon und seine Frau – „John & Yoko“ lautet der zweite Teil des Titels. Auf wenige Monate konzentriert sich die „Handlung“. Primär auf die Zeit vom November 1971 bis zum Februar 1973, in der das Künstlerpaar ein Zwei-Zimmer-Appartement in Greenwich Village bewohnte. Der Filmemacher, Oscar-prämiert für „Ein Tag im September“, Nachzeichnung des Münchner Olympia-Attentats von 1972, und Co-Regisseur/Cutter Sam Rice-Edwards haben die Wohnung nachbauen lassen. Detailgetreu. Gitarren und andere Musikinstrumente, Notizbücher und Zeitungen, übervolle Aschenbecher, ein Bett mitten im Raum und davor ein Röhrenfernseher.

Ein Mosaik, zusammengesetzt aus kleinen (Film-)Schnipseln

Unzählige Stunden haben die Lennons laut Texttafel davor verbracht, wie der Musiker in einem seiner TV-Interviews bestätigt. Der Bildschirm als Fenster zur Welt. Als Spiegel damaliger Ereignisse. Hippies, der Watergate-Skandal, der Attica-Gefängnisaufstand, der Einsatz des giftigen Entlaubungsmittels Agent Orange in Vietnam. Der Nachhall des Kent-State-Massakers, bei dem vier Studenten von der Nationalgarde erschossen wurden. Präsident Richard Nixon, „Tricky Dickie“, der (erfolgreich) um seine Wiederwahl wirbt. Der Aktivist A.J. Weberman, der Bob Dylans Mülltonne durchwühlt, um nachzuweisen, dass die Folk-Legende inzwischen Teil des Establishments ist…

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Ein Puzzle, ein Mosaik, zusammengesetzt aus kleinen (Film-)Schnipseln. Kein Kommentar, keine Interviews, primär Archivmaterial. Ein paar private Super-8-Aufnahmen und Mitschnitte von Telefonaten, die Lennon und Ono – zu hören etwa, wie sie damals für eine Kunstinstallation lebende Fliegen suchte – damals geführt haben. Aufgezeichnet, weil sie davon überzeugt waren, vom FBI abgehört zu werden. Wegen ihrer damaligen politischen Aktivitäten, ihren Kontakten zum selbsternannten Anarchisten Jerry Rubin oder „Abbie“ Hoffman, Mitbegründer der „Youth International Party“, später wegen Kokainhandels verurteilt und auf der Flucht vor der Polizei.

Dazwischen, neben Endlos-Werbung, den „Waltons“ und Shows wie „The Price Is Right“, immer wieder die beiden Protagonisten. Küssend, ständig aneinander geschmiegt, sich gegenseitig unterstützend. Liebende im Wechselbad der Gefühle. Mal Leid. Bei Gattin Ono, die „bitch“, die für das Ende der Beatles verantwortlich gemacht wird. Bei Mama Yoko, die verzweifelt versucht, Kontakt mit ihrer ersten Tochter Kyoko aufzunehmen. Mal Freude. Als nach zig Fehlgeburten endlich Sohn Sean Ono Lennon – er hat die Musik des Dokumentarfilms neu abgemischt und produziert – auf die Welt kommt. Personalisierte (Pop-)Kultur. Phänomenal!

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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