Mannheim. Während ihr Vater im Zweiten Weltkrieg an der Front kämpft, flieht die Protagonistin Helga Neumeyer mit ihrer Mutter aufs Land. Trotz Sprachbarrieren knüpft sie eine tiefe Freundschaft mit der ukrainischen Zwangsarbeiterin Anna. Auf einem Bauernhof in Baden-Württemberg wachsen die beiden Mädchen, die sich ohne Worte verständigen, eng zusammen, da sie das gleiche Schicksal der Zeit teilen: „Sie waren Fremde, so wie ich. Sie waren traurig, so wie ich.“ Anna wird im Krieg durch Tiefflieger getötet, die Protagonistin bleibt alleine zurück. Doch noch über ein halbes Jahrhundert später sind die Erinnerungen der Vergangenheit präsent.
Worte, die eine Brücke zu aktuellen Ereignissen schlagen
Sparsam in Worten, mächtig in Bildern, erzählen Christina Laube und Mehrdad Zaeri die Erinnerungen von Helga Neumeyer, die das Mannheimer Künstlerduo, auch bekannt unter dem Namen „Duo Sourati“, bat, ihrer früheren Freundin Anna „und alle[n], die nicht mehr zurückkamen“ ein Denkmal zu setzen, da keine Spur von ihr geblieben ist: „Auf dem Friedhof gab es kein Grab mit Annas Namen [...]. Anna war vom Erdboden verschwunden.“ Worte, die eine Brücke zu aktuellen Ereignissen schlagen und an die oftmals vergessenen Schicksale von Kriegsopfern erinnern.
Die Geschichte besticht durch eine bildliche Gestaltung in neutralen Farbtönen und eine Abgrenzung von Vergangenheits- und Gegenwartsbildern durch kontrastreiche Randgestaltung. Die farbliche Gestaltung betont die zeitlose und universelle Natur der Erzählung. Fragile Konturlinien vermitteln die Instabilität der Erlebnisse und zeigen Annas Schicksal sowie die kleinen Momente der Hoffnung.
Die Vergangenheit darf nicht verblassen
Der Bezug zum Ukraine-Krieg macht das Buch besonders relevant, indem es eine zeitlose Botschaft mit schriftlicher und bildlicher Tiefe nachhallen lässt. „Und ich bitte euch, die ihr diese Geschichte lest, sie nicht zu vergessen.“ Helga Neumeyer appelliert an die Leserinnen und Leser, die Erinnerungen an die vergangenen Ereignisse und an Anna lebendig zu halten, damit das Schicksal dieser Menschen nicht vergessen wird. Denn die Vergangenheit darf nicht verblassen, wenn wir aus ihr lernen wollen.
„Anna - Was die Zeit nicht heilt“. Fischer Sauerländer. 64 S., 16,90 Euro.
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