Mannheim. Die langjährige Wahlmannheimerin Alexandra Lehmler, Saxophonistin, Lehrerin, Jazzpreisträgerin des Landes Baden-Württemberg, tritt beim Enjoy Jazz Festival mit ihrem eigenen Projekt zum Heimspiel in der Alten Feuerwache auf. Sie hat den französischen Cellisten Vincent Courtois den norwegischen Live-Sampling-Künstler Jan Bang im Gepäck. Die Bestuhlung ist nicht gedrängt, so dass der große Saal einigermaßen gefüllt wirkt, obwohl nur einige Dutzend Zuhörer erschienen sind.
Auftritt der Künstler, und das Konzert beginnt ohne weitere Ansprache. Die Musik spricht für sich selbst. Lehmler hat zum Beginn das Sopransaxophon gewählt und wird sich im Konzert in die Tiefe bis zum Baritoninstrument begeben. Die Liveimprovisation beginnt kammermusikalisch getragen. Der natürliche Klang der akustischen Instrumente bestimmt die klangliche Charakteristik. Samplings und Loopeffekte laden die Spannungsbögen atmosphärisch und mystisch auf, indem sie Verdoppelungen und Spiegelungen einbringen.
Bang setzt meisterlich verfremdende Effekte ein. Courtois überrascht mit einer schier grenzenlosen Auswahl an Spieltechniken. Die elektronischen Sounds dienen Lehmler und Courtois als Vorlage für fein ziselierte repetitive Themen, die den Loops von der Maschine akustische loopähnliche Strukturen entgegen setzen.
Dichte schnelle Arpeggien und Tonfolgen auf Saxophon und Cello jeweils einzeln und dann auch verschränkt, sorgen für Klangteppiche, auf denen sich wiederum gesangliche Themen ansiedeln können. Das Cello dient als Geräuschgeber. Courtois knarzt, die Samples werden wie von Wackelkontakten beseelt darüber gestreut, Lehmler webt Klänge und Bang katalysiert. Die Interaktion der Musiker ist unmittelbar. Es werden Beats aufgenommen, Latin klingt an, die Musiker flechten Verdoppelungen ein und dekonstruieren das soeben Erzeugte.
Zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne
Nach einer halben Stunde durchgehender Performance mit dem ersten Set wurde das Material bereits an seine Grenzen gebracht. Courtois wechselt den Bogen, da sich der Besatz abgelöst hat. Die Aufmerksamkeit und die Ausstattung werden stark beansprucht. Lehmler erläutert, dass die drei Musiker in dieser Formation am Abend zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne stehen. Sie könne keine Titel zu den Stücken nennen, denn es gebe schlicht keine.
Im neuen Set, das zwanzig Minuten dauern wird, eröffnen sich weitere Klangwelten. Das Cello klingt nach Fiddle, die Loops sind zwischen Leierkasten, Jahrmarkt und hypnotischer Maschinenmusik verortet. Musikalische Chinoiserien und orchestrale Gespinste schicken den Saal auf Klangreise als liefe ein Film aus dem vergangenen Jahrhundert.
Im letzten Set schließlich überbläst Lehmler auf dem Baritonsaxophon mehrstimmig. Die Klangkulisse klingt submarin nach U-Boot-Maschinenraum. Cello und Hall von den elektronischen Effekten wirken wie singender Stahl, das Saxophon wie ein Schiffshorn. Die Harmonien werden zu Dur aufgeladen und pentatonisch eingefangen.
Nach viel Applaus und einer Zugabe bedankt sich Lehmler. Enjoy Jazz und die Alte Feuerwache hätten sie machen lassen, was sie wollte. So erklärt sich am Ende die Intensität, Spielfreude und bunte Klangfarbenvielfalt des Abends ganz einfach. Dieses Konzert war ein Wunschkonzert.
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