Bei einem Gespräch nach dem Konzert fällt der Satz, der noch eine Feminismus-Debatte nach sich zieht: „Es sollte erwähnt werden, wie cool Fatoni und Edgar Wasser sind, weil sie eine Frau als DJane dabei hatten.“ Ist das so? Sollten sie dafür gelobt werden? Oder vielleicht doch eher beglückwünscht …?
Josi Miller steht hinten am Pult, mit ihrem charakteristischen Cappy, Goldketten und einem lockeren, schwarzen Shirt strahlt sie eine Gelassenheit aus, die ihre Wirkung auf dem gesamten Areal der Stromwerk-Bühne in der Mannheimer Neckarstadt entfaltet. Es ist die „Delirium“-Tour der beiden Rapper. Das Album erschien Anfang Mai. Fatoni und Edgar Wasser an den Mikrofonen, Josi mischt. Kracht. Tanzt. Haut rein. Nickt. Ballert Maschinengewehre – akustische, versteht sich. Und dann singt sie auch noch. Und wie! Die wenigsten männlichen Kollegen ihres Fachs schaffen einen solchen Spagat. Und das auch noch in so einer Qualität. Gerne mehr davon, Josi.
Weltuntergang oder Festival?
Ja, richtig: Frauen werden im deutschen Hip-Hop zu selten repräsentiert – als Künstlerinnen und nicht als Objekte. Doch Rapper und Rapperinnen, die sich dieser Tatsache bewusst sind, schauen sich um, nutzen die Chance, wenn sie sich ergibt. Das hat auch Kool Savas mit Melbeatz getan. Das macht die Antilopen Gang mit Jenny Sharp. Und Josi Miller ist die Chance, die Edgar Wasser und Fatoni auf keinen Fall hätten verpassen dürfen.
Es ist ein heißer Sonntag. Während die Sonne knallt, ziehen Wolken auf. Unwetterwarnung. Der Wind wirbelt Sand auf. „Ich kann mich gar nicht erinnern, dass Konzerte so windig sind“, sagt Edgar und blickt zu seinem Kollegen. Fatoni steht ganz vorn auf der Bühne, kurz ist er fast nicht mehr zu sehen. So viel Sand. Weltuntergangsstimmung. Immer wieder wandern Fatonis Blicke nach oben. Doch um es mit seinen Worten zu sagen „Alles zieht vorbei“ – das Wetter hält, die Wolken verschwinden. Der Abend, er hätte nicht entspannter, nicht krasser, nicht schöner und nicht fetter, bewegender sein können. Letzteres ist absichtlich zweideutig zu verstehen.
Und witzig ist es. Klar. Wie die beiden eben so sind. All diese Adjektive – Fatoni und Edgar Wasser vereinen sie. Mit „Ratatatatatatatatat“ beginnen sie den Abend. Natürlich versaut Edgar seinen Einsatz, während er eigentlich gerade sagen will, dass er fehlerfrei sei. Selbstironie – sein Steckenpferd. Die Ansagen zwischen den Songs wirken wie kleine Sketche, die ein Aurel Merz hätte schreiben können – vielleicht mit etwas mehr Fäkalhumor.
Lichter, Wiese, ein Holz-Tipi, Deutschrap – jetzt also wieder Festivalstimmung. Klar, dass kaum jemand auf den Liegestühlen sitzen bleibt. Selbst die langsamen Stücke, wie etwa „Das Leben ist dumm“ oder „Alles zieht vorbei“ – ein älteres Lied aus Fatonis Album „Andorra“ –, bringen Bewegung in die Menge. Es fühlt sich an, als hätten die drei Bühnen-Gestalten das Publikum voll unter ihrer Kontrolle. „Bewegt euch“, sagen sie. Und die Meute tut es. „Setzt euch“, sagt Fatoni. Klar. „Springt!“ Wie hoch? Und es fühlt sich richtig an.
Die Rapper, die DJane und das weitere Programm der Sommerbühne
- Fatoni, bürgerlich Anton Schneider, wurde 1984 in München geboren.
- Bis 2010 war Fatoni Teil der Brassband Moop Mama. Neben seiner Rapkarriere ist er als Schauspieler aktiv.
- Edgar Wasser wurde 1990 in Chicago geboren. Im Alter von drei Jahren kam er nach München.
- 2007 trat er das erste Mal als Rapper in Erscheinung. Mit der Zeit kam er mit Künstlern wie Creme Fresh –einer Gruppe, zu der auch Fatoni gehörte – und Blumentopf in Kontakt. Blumentopf buchten ihn kurze Zeit später als Support.
- „Delirium“ ist im Mai 2021 erschienen. Das Album schrieben die beiden Künstler während des Corona-Jahres 2020.
- Das Album (15 Euro) gibt es hier. Hören kann man das gesamte Album auch auf allen Streaming-Kanälen.
- Josi Miller ist eine Produzentin, DJane, Sängerin und Podcasterin aus Berlin. Zusammen mit Helen Fares hostet sie den Hip-Hop-Podcast „Homegirls“.
- Sie wurde in Leipzig geboren und studierte Medienkunst in Weimar.
- Das weitere Programm der Sommerbühne Stromwerk: Thees Uhlmann (18. August), Milliarden (19.), Frittenbude (20.), Großstadtgeflüster (21) und am 22. ein Aufwärmfestival fürs Maifeld Derby mit Ätna, Pano und Charlotte Brandi (22.). Karten und Infos gibt es hier.
So zeigen Edgar Wasser und Fatoni wieder, was ihre Fans seit Jahren vermisst haben. Jeder der beiden ist für sich schon ein Wunderwerk – doch zusammen sind sie ungeschlagen. Eine Rap-Romanze. Das Rap-Ehepaar. Das sich streitet, liebt, unterstützt und hin und wieder disst. „Künstlerische Differenzen“ ist das beste Beispiel dafür. Und doch: Als könnten sie zusammen die Welt erobern, bewegen sie sich auf der Bühne fast wie Synchronsportler.
Auch Pausen gönnen sie sich. Für Edgar die Chance, noch einmal „Bad Boy“ aus dem Jahr 2014 auszukramen. Mit dem Song hat er damals schon für Aufsehen gesorgt. Als einer der wenigen Deutschrapper, die das Patriarchat im Hip-Hop ankreiden. Und Mannheim feiert das.
Discosounds der 80er
Wie Edgar nutzt auch Fatoni seine Zeit für sich. „Feeling“ – das ist der neue Track des Künstlers, bei dem er Hip-Hop mit 80er-Jahre-Discosounds vereint. Auch „Kann nicht reden, ich esse“, den Song, den er 2015 mit Deichkind-Rapper Kryptik Joe veröffentlicht hatte, haut er raus.
Am Ende bekommt auch „Alle 11 Minuten“ seinen Auftritt. Nach mehreren Anläufen. Der – na ja, sagen wir mal – nicht ganz jugendfreie Track wurde bereits am Anfang angespielt. „Stop, stop, stop“, heißt es dann vonseiten Fatonis. Zu politisch unkorrekt. Zumindest die Wortwahl. Dann irgendwann zwischendurch wird er noch mal angespielt. „Halt nein.“ Also noch ein Versuch, diesmal mit Gitarre. Ja, endlich. So geht’s also. Um 21.30 Uhr dann die Zugabe. „Alle 11 Minuten“ in voller Lautstärke, mit vollen Beats und ja, auch dem F-Wort. Weltklasse.
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