Heidelberg. Nach Besucherrekorden in den vergangenen zwei Jahren haben sich die Filmtage des Mittelmeeres mittlerweile auch im neuen Karlstorkino in der Heidelberger Südstadt fest etabliert und nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt. Für die 39. Ausgabe des beliebten Festivals, das von 22. Januar bis 2. Februar stattfindet, präsentieren die Veranstalter vom Montpellierhaus und vom Medienforum ein Programm aus 24 aktuellen Spiel- und Dokumentarfilmen sowie eine Kompilation von Kurzfilmen. Diese stammen aus insgesamt 15 Anrainerstaaten und sollen wieder „eine filmische Reise durch die kulturelle Vielfalt der Länder des Mittelmeerraumes“, so die Initiatoren, ermöglichen.
Dabei geht es nicht nur um das Entdecken „fremder Orte und Kulturen“, sondern auch um die Auseinandersetzung mit den Konflikten und Krisen der jeweiligen Regionen und Gesellschaften. Mehrere Filmschaffende sind deshalb eingeladen, um im Austausch mit dem Publikum die Themen zu vertiefen. Außerdem wird ein Konzert des deutsch-türkischen Indie-Pop-Sängers Emre Yesil und seiner Band musikalische Brücken zwischen den Welten schlagen.
Viel Musik und eine Sängerin traditioneller marokkanischer Lieder stehen auch im Mittelpunkt des stimmungsvollen, zwischen Drama und Märchen changierenden Eröffnungsfilms „Alle lieben Touda“. Der renommierte marokkanische Regisseur Nabil Ayouch zeichnet darin das Porträt einer Frau, die als Künstlerin und alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohnes aus den engen gesellschaftlichen Strukturen ihres Heimatortes ausbrechen will, um in Casablanca künstlerische Anerkennung zu suchen.
Mehrere Filme widmen sich den aktuellen Konflikten im Nahen Osten. Während der mehrfach ausgezeichnete und von Kontroversen begleitete Film „No other land“ die israelische Besatzung im Westjordanland sowie die damit verbundene Zerstörung palästinensischer Dörfer dokumentiert, zeigen die insgesamt 22 Kurzfilme des Programms „From ground zero – The untold stories from Gaza“ die Kriegsrealität in dem umkämpften und geschundenen Küstenstreifen am Mittelmeer. Mit verschiedenen filmischen Mitteln und Formen erzählen die Filmemacher vom Leben und Überleben, von Trauer und Hoffnung.
Israelische Perspektiven wiederum werden im Filmtage-Programm repräsentiert durch einen Dokumentarfilm über Golda Meir („Golda“), eine Tragikomödie über eine marokkanisch-jüdische Hochzeit in Jerusalem („Seven Blessings“) sowie durch Amos Gitais neuen Film „Shikun“. Inspiriert von Eugène Ionescos absurdem Theaterstück „Die Nashörner“ reflektiert der bekannte israelische Regisseur die Entstehung von Gewalt und Intoleranz in einer höchst heterogenen Gesellschaft. Auch David Oelhoffen, der zum Publikumsgespräch erwartet wird, verbindet Theater und Krieg, wenn in „Le quatrième mur“ („The fourth wall“) ein Regisseur im Jahre 1982 in den Libanon reist, um die „Antigone“ zu inszenieren und dabei die Darsteller des Stücks aus verschiedenen politischen Lagern stammen.
Bemerkenswerte Filme unter anderen aus der Türkei, Griechenland und Italien sowie die neuen Werke der französischen Regisseure Robert Guédiguian („Das Fest geht weiter!“) und Alain Guiraudie („Misericordia“) ergänzen zusammen mit einer Wiederaufführung von Carlos Sauras restauriertem Kultfilm „Los, Tempo!“ (1981) das Programm.
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