Klassik

Lebenslustiges Akademiekonzert mit Gastdirigent Pablo González im Mannheimer Rosengarten

Gastdirigent Pablo González hat mit dem Orchester des Nationaltheaters ein lebenslustiges Akademiekonzert im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens inszeniert. Im Concerto des Schweizer Komponisten Frank Martin brillieren sieben Bläser des Ensembles als Solisten.

Von 
Raimund Frings
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Hält alle Fäden in der Hand: Gastdirigent Pablo González mit dem Nationaltheaterorchester im Mozartsaal des Rosengartens. © Markus Proßwitz

Mannheim. Akademiekonzerte sind die Kür für das Nationaltheaterorchester. Hier können die Musiker dem Publikum von Angesicht zu Angesicht zeigen, mit welcher Spannung sie in jede Aufführung gehen. Genau davon zeugte das 4. Akademiekonzert der laufenden Saison. Virtuose Führung ihres Instruments, Zusammenspiel ohne beengte Grabensituation, Brillanz angesichts ausgewählter Werke. Und wenn dann noch Kollegen aus den eigenen Reihen als Solisten herausragen, kommt der Konzertabend einem Festtag gleich. Von diesem besonderen Grundrauschen kann im Mozartsaal des Rosengartens auch der Gastdirigent Pablo González profitieren. Schon im Vorgespräch bekennt er: „Wir haben bei den Proben großen Spaß miteinander gehabt.“

Musikalisches Kernstück des Abends ist das Concerto für 7 Blasinstrumente des Schweizers Frank Martin (1890-1974), wahrlich kein Evergreen aus der Kiste beliebter Orchesterwerke. Zwar sind viele traditionelle Elemente in dieser 1949 uraufgeführten Preziose der Zwölftonmusik enthalten, in ihrer spielerischen Variabilität und Luftigkeit machen sie aber das Vorurteil der Sperrigkeit dieses Genres vergessen. So ist auch der Kontrapunkt bei Martin ein wesentlicher Bestandteil, ja der Komponist hat es verstanden, die einzelnen Instrumente in ihren Melodien komplex anzulegen und präzise auszubalancieren. Jedes neue Element erscheint wie in seine Einzelteile zerlegt und wird anschließend minimalistisch weiterverarbeitet. Der Werkprozess wird sichtbar wie ein gläserner Maschinenraum: Musik entwickelt sich organisch aus sich selbst heraus und erzählt wunderbare kleine Geschichten, auch wenn das Werk als Concerto grosso im barocken Stil traditionell angelegt ist. Klassische Elemente wie das Ritornell erscheinen wie aus dem Baukasten genommen und werden kunstvoll verarbeitet oder angereichert mit einem Paso Doble zu einem dynamischen Tanz geknüpft. González ist derjenige, der die Fäden in der Hand hält und den pulsierenden Mechanismus immer wieder neu anfacht.

Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, dazu Horn, Trompeten und Posaunen sind die Einzelinstrumente, die einen nachdenklich gleichwohl lebenslustigen Dialog unterhalten; mal in kleinen Gruppen, dann wieder alle sieben zusammen pflegen die teils markant ungewohnten Intervalle innerhalb der von Martin angelegten schwingenden Linien, während die Streicher dies wohlwollend zu kommentieren scheinen und ihre Solistenkollegen feinfühlig begleiten. Im Schlusssatz werden die Dialoge beschleunigt, wieder durchkalkuliert und doch in nahezu jazzig anmutende Passagen eine neue Wendung nehmend. Das federleicht auskomponierte Paukensolo wirkt wie das Sahnehäubchen auf dem Festtagstisch.

Eng verwobenes Geflecht dunkler, mythischer Motive

Die Musikalische Akademie lässt das Publikum mit diesem außergewöhnlichen Concerto nicht allein. Bereits zu Beginn des Abends lässt die Ouvertüre aus Robert Schumanns einziger Oper „Genoveva“ (1850) aufhorchen. Wenn auch die Oper als solche bis heute nicht von durchschlagendem Erfolg gewürdigt wurde, zeugt doch der Auftakt von des Komponisten hoher Meisterschaft. Bläser und Streicher entwickeln ein eng verwobenes Geflecht aus dunklen, mythischen Motiven, die immer wieder von Einzelinstrumenten wie den Hörnern spannungsvoll aufgeladen werden. Pablo González akzentuiert diese Emotionalität wirkungsvoll.

Und dann nach der Pause die zweite Symphonie von Johannes Brahms, ein „liebliches Ungeheuer“, wie es der Komponist verschmitzt genannt hat. Geschrieben ist es 1877 nach Urlaubsaufenthalten am Wörthersee. Es scheint, als hätte Brahms sich selbst ausprobiert. Schrankenlos nach vorne komponiert. Es ist die Variabilität der Intervalle, das Ausprobieren von Wechselnotenschritten von kleinen Sekunden und Quarten bis zu Oktaven und wechselnden Dreiklängen, garniert mit Punktierungen und Triolen, dass die Zuhörer rational kaum erfassen können, was hier geschieht. Was in seiner heiteren Grundstimmung traditionell erscheinen mag, war in Wirklichkeit vor 150 Jahren innovativ und hat die Weiterentwicklung der Klassik beeinflusst. Der Spanier Pablo González, der schon an allen Pulten großer Häuser in Europa gestanden ist, führt das Orchester auswendig und wirkt wie der größte Fan dieser Symphonie. Der kaum enden wollende Schlussapplaus ist der beste Beweis, dass die Wahl dieses Dirigenten für das Akademiekonzert goldrichtig war.

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