Mannheim. Zwei Nummer-eins-Hits, darunter mit „Roller“ das dritterfolgreichste Lied des Jahres in Deutschland und eine binnen Minuten ausverkaufte Tournee inklusive großer Hallen wie der Mannheimer SAP Arena: Volkan Yaman aus Ludwigshafen-Gartenstadt, besser bekannt als Apache 207, ist der Aufsteiger des Jahres im Musikgeschäft. Dabei hat der 22-jährige Rapper erst Anfang April den Durchbruch mit dem Ohrwurm „Kein Problem“ geschafft. Popakademie-Chef Udo Dahmen analysiert im Interview diesen rekordverdächtig rasanten Karrierestart.
Herr Dahmen, können Sie sich in der deutschen Musikszene an einen Künstler erinnern, der schneller in den ganz großen Hallen gelandet ist als Apache 207?
Udo Dahmen: Das ging jetzt schon sehr rasant bei ihm. So ähnlich habe ich das damals bei der Neuen Deutschen Welle (NDW) ab 1980 erlebt. Das ging auch sehr, sehr schnell. Ideal waren eine Band, die das sofort umsetzen konnte. Die hatten sich zwar auch länger vorbereitet, aber sobald die erste Veröffentlichung herauskam, war die Band um Annette Humpe präsent - und zwar im großen Stil. Das galt ähnlich auch für Nina Hagen nach dem ersten Album in der Bundesrepublik 1978. Aber das ist lange her und für die heutige Generation schwer nachzuvollzuziehen. Von daher ist es schon sehr außergewöhnlich und bemerkenswert, welch großes Publikum Apache in so einer kurzen Zeit erreicht.
An der Popakademie wird ja auch über Karrierestrategien für Musiker nachgedacht. Ist Apaches Weg schulmäßig: Erstmal über Online-Videos bekanntwerden, dann nur digital veröffentlichen und totale Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen, um keine der vielen Zielgruppen zu verschrecken?
Dahmen: Da kann man auch wieder zurückgreifen, zum Beispiel in die Punk-Zeit. Da gab es auch Acts, die sich der Öffentlichkeit verweigert haben, zumindest teilweise. Es ist schon spannend, dass Apache nur die Videos auf YouTube und Instagram als Kommunikationskanal benutzt. Der Weg hat ein gewisses Risiko, weil man so weniger Reichweite in der Breite hat. Offensichtlich ist Apache jemand, der seine Leute nur so erreichen möchte.
Was ja exzellent funktioniert. Liegt es an der konsequent durchgezogenen Bildsprache in den Videos, die wie die Musik viele verschiedene Zielgruppen ansprechen kann? Mit sehr starken Kontrasten zwischen proletiger Straßenrap-Attitüde und fast satirischer Überspitzung: Wer hat schon mal einen Rapper auf Gold-Lametta-Rollschuhen gesehen?
Dahmen: Das ist ja das Schöne an ihm: Dass er Absurditäten und Paradoxien vorführt, ohne sie auszusprechen. Einerseits nutzt er die Sprache des Gangsta-Rap, andererseits zeigt er durch die Bilder der Videos die Absurdität des Zusammenhangs. Manchmal stellt er auch durch einen kleinen Nachsatz alles in Frage, was er vorher gesagt hat. Apache ist der Einzige, der sich in dieser Rolle so selbst reflektiert, ohne es explizit zum Thema zu machen. Zum Beispiel: In „Roller“ ist seine Gang nicht mit schweren Maschinen unterwegs, sondern mit einfachen kleinen Motorrollern. Das passt überhaupt nicht zum Gangsta-Rap-Image.
„Mit zehn PS in deine Stadt / es wird nicht angenehm“, wäre Kollegah, Bushido und Co. vermutlich nicht protzig genug …
Dahmen: Genau. Es ist einfach erfrischend, wie Apache es schafft, die Bilder, die Texte und die Musik in eine Beziehung zu setzen, dass immer eine leise Kritik an den üblichen Rap-Klischees damit verbunden ist. Durch Überbetonung bestimmter Dinge lässt er das übersteigerte Luxusdenken vieler seiner Kollegen absurd aussehen. Da sind die Rollschuhe das beste Beispiel. Das macht ihn auf gewisse Weise auch sympathisch. Dazu trägt er lange Haare, was auch nicht typisch für Rapper ist. Wie sich Apache 207 positioniert, ist schon sehr souverän.
Erstaunlich für einen so jungen Musiker, oder?
Dahmen: Er ist ja gerade erst 22 geworden. Aber wie ich höre, war er ein durchaus guter, sehr engagierter Schüler - und sehr sportlich. Das spielt in seinen Videos ja auch eine Rolle, es gibt zum Beispiel fast immer Laufszenen.
Ich sehe ihn auf Dauer eher als Sänger, weil er noch besser singt als rappt. Was meinen Sie?
Dahmen: Ich finde, er ist ein Superrapper. Die Doubletime-Raps mit 24 statt 16 Silben pro Takt sind hervorragend, vor allem die triolischen. Aber auch, wie er die Worte verwendet, Klischees umdreht - das finde ich gut. Er ist in der Lage, gut zu unterhalten. Aber die für den Zusammenhang sehr untypische Baritonstimme sorgt dafür, dass er auch gesanglich viel umsetzen kann. Wobei die Stimm-Software Autotune wie so oft in dem Genre eine Rolle spielt. Aber ich finde es interessant, wie bei der überschaubaren Zahl von Titeln die Stilistiken und Tempi variieren. Es gibt Keyboard-Sounds aus den 1970ern oder 1980ern, typische Disco-Drums, aber auch moderne Trap-Elemente. Aber auch solche Rückgriffe gab es bei der NDW - zum Beispiel als Persiflage auf Schlager.
Der Dozent und der Hip-Hop-Star
- Udo Dahmen, künstlerischer Direktor und 2003 Gründungsgeschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, wurde am 12. Juli 1951 in Aachen geboren. Er studierte klassisches Schlagzeug und spielte in Bands wie Rufus Zuphall, Kraan, Lake oder Eloy sowie auf vielen Studioproduktionen in Hamburg.
- Apache 207 kam am 23. Oktober 1997 als Volkan Yaman in Ludwigshafen zur Welt. Nach dem Abitur 2017 veröffentlichte er ab Mai 2018 erste Songs, der Erfolg stellte sich im April 2019 mit „Kein Problem“ ein.
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