Mannheim. Der 13. Brückenaward hätte keinen besseren Start erwischen können: 28 Grad und ein angenehm kühles Lüftchen wie an der Nordsee sorgen am Freitag an der Eisenbahnbrücke für perfekte Open—Air-Bedingungen – und regen Zulauf. Schon am Nachmittag als die Wormser Band Biceps das Mannheimer Underground-Festival bewegungsintensiv eröffnet sind die Neckarwiese und die grüne „Tribüne“ am Hang gut gefüllt. Die Resonanz ist wie immer, ein Solingen-Effekt ist nicht auszumachen. Die Stimmung des sehr gemischten Publikums ist gelöst.
Die Mannheimer Punker Zyph sorgen für aggressive, fröhliche Energie, während die israelisch-jemenitischen Weltenbummler El Khat bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Weg nach Kanada (welt)musikalisch beeindrucken – auch wenn das Trio 2023 in der Brandherd-Reihe noch durchschlagskräftiger agiert hat. Aber dass Ido Chitayat Schlsgzeug nicht so dominiert wie im Alten Volksbad hat auch mit der Freiluftsituation zu tun. Dafür beeindruckt Sänger Eyal el Wahab umso mehr – und die stimmungsvolle Lichtkunst, die Projektor Pearson und Liquid Lisa auf den Brückenpfeiler und seine Umgebung zaubern.
Doc Wenz phrasiert stellenweise wie Roy Orbison
Ab 22 Uhr präsentiert Doc Wenz mit seiner Band The Melancholics Country-affinen Sound. Die vierköpfige Formation klingt brillant – nur je weiter man sich von der Bühne entfernt, desto mehr trägt der Wind den Gesang vom Gelände. Die einstündige Show startet relativ getragen, hebt aber immer dann ab, wenn Doc Wenz’ Gitarre mit der Pedal Steel Simon Seeleuthers stark kontrastiert. So funky hört man dieses oft nur klagsame Country-Kerninstrument selten. Vor allem die Coverversion von „Sugar Sugar“ (1969) wird so zum gefeierten Festival-Höhepunkt, der nichts mehr mit dem Bubblegum-Pop-Original zu tun hat. Die Gesangsphrasierungen erinnern oft an Roy Orbison, das Songwriting hat viel von Giant Sand, John Hiatt, Todd Snider oder anderen Alternative-(Country)-Größen.
Mannheimerin Missy Canis eröffnet das Programm am Samstag um 16.30 Uhr

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Totales Kontrastprogramm bietet Münsteraner Electro-Duo Welt im Dunkeln, dessen relativ radikaler Rave ihre Punk-Wurzeln noch andeutet. Zum beschaulichen Ausklang wird dem Songwriter Helmet Lampshade vor der Bühne der Teppich ausgerollt – buchstäblich. Den Samstag eröffnet die Mannheimerin Missy Canis, vorauusichtlich ab 16.30 Uhr.
„Es ist total wichtig, dass jede Band bezahlt wird"
Wie ist so ein vielfältiges, hochkarätiges Booking eigentlich Jahr für Jahr möglich, ohne Eintritt zu verlangen? Martin Feige, einer der vier Köpfe, hinter dem Brückenantwort antwortet: „Dadurch, dass wir alle in Bands gespielt haben und Chris Bethge ein erfolgreiches Tonstudio betreibt, haben wir auch über die Region hinaus gute Kontakte. Wenn dann Leute neues Zeug machen, und wir es geil finden, dann haben wir Bock, dass sie hier spielen.“ Kostenlos auftreten muss niemand unter der Eisenbahnbrücke schräg gegenüber vom Marchivum, obwohl das Festival keinen Eintritt verlangt: „Es ist total wichtig, dass jede Band bezahlt wird.“ Der Etat für Gagen beträgt insgesamt rund 4000 Euro. „Das ist nur dank direkter, persönlicher und freundschaftlicher Kontakte möglich“, erklärt Feige. Anders als bei kommerziellen Veranstaltungen darf das Publikum selbst Verpflegung mitbringen. Trotzdem brummt das Geschäft an der Bar und am Essensstand.
Irgendwie trägt sich das Festival immer
Der Fortbestand des Brückenawards war trotz gestiegener Kosten und Pandemie-Pause nie gefährdet. Der Grund: Die Freude der Veranstalter am Projekt inklusive massiver Selbstausbeutung. „Bei uns wird keiner bezahlt. Wir müssen nur zusehen, dass sich die Sache selber trägt.“ Auf Antrag gibt die Stadt einen kleinen Förderbetrag dazu, 2000 Euro pro Jahr - „wenn man den Antrag rechtzeitig stellt“, sagt Feige lachend. Das sei in diesem Jahr nicht passiert, „aber das passt schon. Wir werden wohl ein paar Miese machen, dieses Jahr. Aber das bekommen wir schon ausgeglichen.“ Im Notfall stünde wohl auch ein Sponsor parat. „Gefährdet fühlen wir uns überhaupt nicht. Wir machen das, so lange wir Lust dazu haben. Irgendwie trägt es sich immer.“
Konzentration des ehrenamtlichen Engagements auf zwei Leuchtürme
Nebenprojekte wie das Kuratieren von einer Bühne beim Maifeld Derby, einem Abend bei der Sommerbühne der Alten Feuerwache, Zuarbeit beim Programm vom Alter oder zusätzliche Einzelkonzerte haben die Organisatoren weitgehend eingestellt. „Es war einfach zu viel. Deshalb konzentrieren wir uns auf die beiden Festivals Brücken- und Winteraward. Es ist uns wichtig, diese beiden Leuchttürme zusammen auf die Beine zu stellen. Aber man muss nicht alles machen“, so Feige. Die vier Köpfe hinter dem Brückenaward sind auch im Brotberuf stark engagiert, teilweise Väter: Feige und Tobias Weber arbeiten als Lehrer, Bethge hat ein erfolgreiches Mastering-Studio in der Neckarstadt und Joachim von Hunnius ist Technischer Redakteur.
Abschließend erklärt Feige „das Ding beim Brückenaward: Wir haben zwar nicht die riesigen Bands. Aber wir bieten ein Festival, das frei ist für jeden. Es kann kommen, wer will – ohne dicken Geldbeutel.“ Die Hoffnung dabei: „Dass Leute bei uns Konzertatmosphäre schnuppern und sich das in der Stadt umlegt auf andere keine Konzerte. Dass da mehr Leute hingehen, weil sie Bock haben auf Live-Musik. Das war von Anfang an der Ansatz.“
Winteraward läuft am dritten Wochenende im Januar 2025
Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer machten das Ganze erst möglich – auch deren Einsatz und spürbarer Spaß an der Sache prägen die einmalige Atmosphäre an dieser originellen Location. Dabei überträgt sich die Entspanntheit der Veranstalter und des Publikums wechselseitig. Feiges Ausblick auf den Winteraward im Forum fällt knapp aus: „Da wissen wir nur, dass es am dritten Samstag im Januar 2025 passieren wird.“
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