Mannheim. Sie konnte ihn sogar riechen – so intim war der Rahmen: Lisa Müller aus Mannheim sitzt schon an ihrem Keyboard, als der Mann, der weltweit rund 58 Millionen Platten mit Hits wie „Angels“ verkauft hat, die vergleichsweise kleine Bühne im legendären Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld betritt. Nun würde man einem Weltstart wie Robbie Williams wahrscheinlich sogar verzeihen, stänke er so faulig wie Surströmming, jene schwedische Fisch-Delikatesse, der man nachsagt, sie röche wie eine verrottende Tierleiche. Derartigen Ekel musste die 42-jährige Mannheimerin am Sonntagabend jedoch nicht ertragen.
Stattdessen begleitete sie einen der erfolgreichsten England-Exporte der vergangenen 35 Jahre eine knappe Stunde lang an den Tasten und war anschließend einigermaßen beeindruckt von dem 50-jährigen Sänger, der Teenies in den 90er Jahren mit seinen Kollegen von Take That notorisch an den Rand einer Ohnmacht trieb. Damals in aufwendigen Videoproduktionen noch im Wet-Look, heute mit weißem Rippenunterhemd und ebensoweißer Bundfaltenhose.
Film über Popstar
- Der britische Popstar Robbie Williams hat am Sonntag in Köln seine neue Filmbiografie „Better Man – Die Robbie Williams Story“ vorgestellt.
- Der zweistündige Film, in dem der Musiker als computergenerierter Affe dargestellt wird, thematisiert den Beginn der Karriere als Teenager mit Take That, das Zerwürfnis mit der Boyband, seine Alkoholsucht und vor allem die schwierige Beziehung zu seinem Vater.
- Er soll am 2. Januar in die deutschen Kinos kommen.
- Nach der Präsentation des Films durften per Los ermittelte Gäste zum Geheimkonzert.
Lisa Müller gehörte seinerzeit nicht zu diesen ganz großen Verehrerinnen. Sie stand auf härtere Gitarrenriffs, und dagegen klangen Balladen wie „Back for Good“ aus Robbie Williams’ Kehle doch deutlich weich gespülter. Nun verhielt es sich aktuell aber so, dass eine Agentur bei der Mannheimerin anfragte, ob sie den Keyboard-Part in Köln übernehmen würde, und man kann sich eben nur schwer vorstellen, wie die im Frankenland geborene Mannheimerin am Telefon antwortet: „Nun ja, tut mir leid. Robbie Williams hat mir zuviel Lenor in der Stimme.“ Stattdessen sagte sie zu – und spielte mit ihm und weiteren Musikerkollegen ein Konzert, auf das sie sich zwar gewissenhaft vorbereitet, aber für das sie nie wirklich geprobt hatte.
Zusammenarbeit mit Peter Maffay, Cassandra Steen und No Angels
„Dass jemand wie Robbie Williams sowas überhaupt macht, ist schon Rock ’n’ Roll“, findet Müller, die ein klassisches Klavierstudium absolviert hat und schon seit Jahren mit erfolgreichen Musikern aus ganz unterschiedlichen Genres auf der Bühne steht. Sie war mit Peter Maffay unterwegs, begleitete die „No Angels“ auf der jüngsten Tour. Eng verbunden ist sie etwa mit Cassandra Steen, die in den 90ern mit „Freundeskreis“ zusammengearbeitet hat und im Duo mit Adel Tawil den Titel „Stadt“ auf den zweiten Rang der Charts schob. Mit Kerstin Ott („Die immer lacht“) tourt Lisa Müller ebenso wie mit dem Mann, den sie als ihren musikalischen Ziehvater begreift – Jason Wright.
Will heißen: Die intelligente 42-jährige Frau mit den blonden langen Haaren und einem ziemlich anziehenden Humor ist richtig gut im Geschäft, läuft in ihrer Wahlheimat Mannheim aber viel zu oft unter dem Radar. Seit dem Jahr 2020 hat sie die Künstlerische Leitung der Reihe „Rock meets Classic“ übernommen. Sie ist dort selbst mit ihrem Keyboard vertreten und stand dabei unter anderem schon mit Größen wie Alice Cooper auf der Bühne. Im April geht „Rock meets Classic“ auf eine kleine Deutschland-Tournee durch den Süden der Republik. Mit dabei sind einstige Heroen wie Randall Hall von Lynyrd Skynyrd und Glenn Hughes – früher Bassist und Sänger von Deep Purple und Mitte der 80er Jahre eine Stimme von Black Sabbath. Kurzum: Dass eine Agentur auf die Idee kommt, Lisa Müller als Keyboard-Begleitung für einen Ausnahmekönner zu buchen, kommt jetzt auch nicht völlig überraschend.
Wie hat Robbie Williams eigentlich gerochen?
Und dennoch kann man sie noch überwältigen, denn genau so klang sie noch am Dienstag. Mit 500 Leuten sei der kleine Club in Köln „bumsvoll“ gewesen. Ohne viel „technischen Schnick-Schnack“ wie In-Ear-Monitoring et cetera sei der Auftritt abgegangen. „Die Leute wollten ihn auffressen“, sagt sie über die Wirkung des Popstars, der eine Armlänge entfernt von ihr performte. Aber nicht nur Hits wie „Feel“ habe er spielen wollen, sondern auch einige Swing-Tunes. Die Zuhörer – das zeigen Videos auf Instagram – waren aus dem Häuschen. „Eine nicht wegzudenkende Größe“ im Musikgeschäft sei Robbie Williams. „Fast eine Fantasiegestalt“, so Müller über den Engländer, der auch schwere Zeiten mit Alkohol- und Drogenmissbrauch hinter sich hat.
Und wie hat er jetzt gerochen? „Neutral“, sagt die Mannheimerin. Verschwunden sei er aber so schnell, wie er gekommen sei. Zu einem Gespräch ist es daher am späten Sonntagabend nicht mehr gekommen. Tags drauf kehrte Müller nach Mannheim zurück. Der Wasserhahn in ihrer Innenstadtwohnung müsse schließlich auch mal wieder entkalkt werden, sagte sie am Telefon. Ähnliche Pläne hatte Williams nach dem Gig wohl auch…
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