2020 hat die Corona-Krise fast alle Kulturschaffenden massiv ausgebremst. Da ist es Sängerin/Songschreiberin Alex Mayr fast ein wenig peinlich, wenn sie im Gespräch sagt: „Man traut es sich kaum zu sagen, aber ich kann nicht klagen. Ich habe Anfang 2020 endlich meine erste Platte veröffentlicht, konnte danach noch auf Tournee gehen und in der Corona-Phase relativ normal weiterarbeiten“, berichtet die 35-Jährige. Und wie sie diese Zeit genutzt hat: Nachdem sie zuletzt mit Get-Well-Soon-Mastermind Konstantin Gropper Soundtracks für den Detlev-Buck-Film „Wir können nicht anders“ und die zweite Staffel der Netflix-Serie „How To Sell Drugs Online Fast“ geschrieben hat, bringt die Wahl-Mannheimerin im Jahr nach ihrem Plattendebüt jetzt schon den Nachfolger „Park“ heraus.
Mehrere Live-Auftritte
- Alex Mayr wurde am 29. Oktober 1985 in Achim bei Bremen geboren. Von 2007 bis 2010 studierte sie Popmusikdesign an der Popakademie.
- 2020 erschien ihr Debütalbum „Wann fangen wir an?“, produziert von Mayr, Drummer Konrad Hebkelüdeke und Konstantin Gropper. Mit Letzterem erarbeitete sie auch die Soundtracks für „Wir können nicht anders“ und die zweite Staffel der Serie „How To Sell Drugs Online Fast“.
- Ihr zweites Album „Park“ erscheint am 9. Juli auf dem eigenen Label Alex Mayr Rekorder auf Vinyl, CD und digital. Live ist Alex Mayr am 30. Juli auf der Seebühne im Luisenpark, am 11. August im Vorprogramm von Maeckes beim Festival Stromwerk Sommerbühne, am 29. August beim Zeltfestival und wohl am 3. September beim Maifeld Derby zu hören.
Den elf Liedern hört man einen Reifeprozess im Turbo-Modus an (Porträt Alex Mayr). Wo Mayr lange Jahre Selbstzweifel hemmten – zwischen Popakademie-Abschluss und dem Debüt mit dem vielsagenden Titel „Wann fangen wir an?“ lagen gut zehn Jahre – hört man jetzt Souveränität. Die beste Basis für ein originelles, facettenreiches Album, auf dem Mayr ihr Händchen für betörende Melodien als Produzentin (erneut im Team mit Gropper und Drummer Konrad Henkelüdeke) noch besser inszeniert – oft im Stil von Indie-Pop-Chansons, wie die eindrucksvoll lakonischen Anfangs- und Schlussnummern „Eingang“ und „Ausgang“ (mit einem Gastspiel des Orsons-Rappers Maeckes) zeigen. Dann wird es aber auch mal filmmusikalisch hymnisch („Alle“) oder opulent im typischen Gropper-Wall-Of-Sound (großartig: das wie für einen Tarantino-Soundtrack geschriebene „Zeit“).
Teilweise hört man auch einen neuen Mut zur Einfachheit („Tauben“), manchmal klingt Mayr gar wie eine Hollywood-verträumte deutsche Version von Lana Del Rey oder wie eine moderne Hildegard Knef („Allein“) – aber eigenständig. Das ist insgesamt noch etwas besser als das schon sehr gute Debüt. Und der leitmotivische Titel „Park“, der sich wie ein roter Faden durch die Inhalte der meisten Lieder zieht, ist gut gewählt: Corona-Krise und die Angst vor dem zweiten Album sind für Mayr spürbar nur „A Walk In The Park“ gewesen, was im Englischen Spaziergang bedeutet, auch im Sinne von „Es war ein Kinderspiel“.
Hommage an die Eltern
Zu sagen hat die Texterin trotz kurzer Schreibphase in selbstverordneter Klausur auch wieder mehr als genug. Mit dem Rock-Epos „Ohrfeige“ wird sie politisch deutlich: „AfD im Bundestag, ist das wirklich echt? Ich glaub ich habe nur geträumt, warte, mir wird schlecht. Ich kotze all das Elend dieser Erde in den Dreck, aber davon geht es immer immer noch nicht weg.“ Aber es gibt auch brauchbare Alltagsphilosophie wie in „Zeit“: „Es kann uns niemand sagen, was da kommt, was noch kommt – oder nicht. Bitte hör‘ auf, Dich zu fragen: Wär‘ alles besser, wär‘ es anders, als es ist.“
Noch ein besonderes Lied ist „Krocket“, denn man hört selten liebevolle Popsongs über das Altern der eigenen Eltern. Der spielte im Werdegang von Alex Mayr eine zentrale Rolle. Der Musiklehrer hat selbst lange in Bands gespielt und eigene Musicals im Stil von Rock-Opern auch international auf die Bühne gebracht. „Dadurch bin ich mit diesen Musicals und Theaterstücken großgeworden. Seit ich drei Jahre alt bin, stehe ich auf der Bühne und war festes Ensemblemitglied. Das prägt natürlich sehr. Musik war immer da und hat mich begleitet.“
Mit sieben begann sie mit ihrem ersten Hauptinstrument, der Geige. „Gesungen habe ich immer schon in den Stücken. Klavier habe ich mir ein bisschen selbst beigebracht, unterstützt von meinem Papa. Mit Gitarre war es ähnlich.“ Dass sie nach diesem Werdegang immer wieder von Musical-Schulen nach der Aufnahmeprüfung abgelehnt wurde, erklärt langlebige Selbstzweifel. Obwohl der Grund nichts mit ihrer Qualität zu tun hat – mit 1,83 Meter war sie für die meisten Rollen schlicht zu groß.
Den Ausweg ebnete die Popakademie: „Da war es plötzlich gut, dass ich die Größte war und auffiel. Außerdem bekommt man dort Zeit, sich auf die eigene Musik zu fokussieren. Und anders als an Jazzhochschulen auch Wissen vermittelt, das über das Spielen hinausgeht.“ So lernte Mayr beim Studium ihren Schlagzeuger, Konrad Henkelüdeke aus Heidelberg, kennen und spielte in ihrer Band mit dem heutigen Topproduzenten Markus Ganter (Sizarr, Casper, Tocotronic). Dabei ergaben sich über Caspers Nummer-eins-Album „Hinterland“ Anknüpfungspunkte zu Konstantin Gropper. Der setzte auf Mayrs Gesangs- und Keyboard-Qualitäten, als seine Schwester Verena Gropper in der Elternzeit bei Get Well Soon pausieren musste.
Erfolgsgeschichte in zwei Kapiteln
Durch den Kontakt ergab sich die Frage, warum ihr eigenes Albumdebüt noch immer auf sich warten lässt: „Ich habe daran zwei Jahre lang mit einem Produzenten in Berlin gearbeitet, der den Sound kommerziell möglichst erfolgreich haben wollte und zum Beispiel viel Wert auf Beats legte. Da habe ich viel gelernt, aber es passte letztlich nicht.“ Irgendwann habe Gropper sich das Material angehört und sanft dazu gedrängt, es weitgehend zu lassen, wie es ist. Der Anfang einer Erfolgsgeschichte mit jetzt zwei Kapiteln. Das zweite inspiriert von ihrem ersten Auftritt nach dem Lookdown, beim Seebühnenzauber. So führte der Zauber des Mannheimer Luisenparks zu einem magischen Album.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/kultur_artikel,-kultur-mannheimerin-alex-mayr-veroeffentlicht-ihr-zweites-album-park-_arid,1820015.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-mannheimerin-alex-mayr-veroeffentlicht-ihr-zweites-album-park-_arid,1820015.html