Mannheim. Es ist lehrreich, diesen Preisverleihungsabend zu besuchen. Nicht nur, weil sich wenigstens in zarten Andeutungen aktuelle Themenfelder in der Linguistik kennenlernen lassen. Sondern auch, weil Helmuth Feilke, der in Mannheim mit dem Konrad-Duden-Preis geehrt wird, zeigt, wie Professoren idealerweise sein sollten. Nämlich geerdet. Basis-nah.
Der Sprachforscher, der an der Universität in Gießen arbeitet, stammt aus dem Westerwald. Aus einem Bauernhaus. Das wird er nie vergessen - übrigens schon deshalb, weil sein derzeitiges Heim auch bloß dreihundert Meter weit davon entfernt liegt.
Der Sprachexperte und der Preis
- Schon seit 2001 nimmt Helmuth Feilke eine Professur für Linguistik und Didaktik an der Justus-Liebig-Universität in Gießen wahr. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört vor allem auch die Frage, wie Sprachkompetenz erworben wird: Wortschatz, Grammatik, Texterstellung und dergleichen.
- In seiner Dissertationsschrift „Common-sense-Kompetenz“ von 1994 stellte Feilke die Frage: Wie kann das Meinen und Verstehen in der hochkomplexen Welt von heute weiterhin „natürlich“ funktionieren? Feilke hat seither auch viele Aufsätze verfasst, wie etwa „Schulsprache – wie Schule Sprache macht“ (2012).
- Der Konrad-Duden-Preis ist eine Auszeichnung für Germanisten mit besonderen Verdiensten um die deutsche Sprache und ihre Erforschung. Schon seit 1959 gibt es ihn, inzwischen wird er im Dreijahresrhythmus von der Stadt Mannheim ausgelobt. Das Preisgeld liegt bei 12 500 Euro.
Sprachforscher Helmuth Feilke nimmt in Mannheim Konrad-Duden-Preis entgegen - und bleibt bodenständig
Feilkes Bodenständigkeit äußert sich überdies in seiner Mitgliedschaft in dem Gesangsverein „Germania Breitscheidt“. Und auch darin, dass der Duden-Preisträger neben der Ehefrau auch seine beiden Söhne in die Universitäts-Aula nach Mannheim mitgenommen hat. Wo Oberbürgermeister Christian Specht erläutert, dass die Auszeichnung ein anerkannter Fachpreis sei.
Kein Förderpreis, stattdessen eher eine Anerkennung für ein ganzes Lebenswerk. Welches im Fall von Helmuth Feilke neben Sprachforschung auch gleichberechtigt Sprachdidaktik einschließe, die Schlüsseldisziplin für Spracherwerb und -kompetenz. Das sei in Mannheim, wo das Sprachgewirr bisweilen „babylonisch“ sei, besonders offensichtlich. Specht freut sich deswegen schon auf das geplante „Forum Deutsche Sprache“, das als neuartiges Kommunikationszentrum am Neckarufer hochgezogen werden soll.
Sprache "im Kontext kultureller Handlungsfelder"
Die Laudatorin Christa Dürscheid - eine deutsche Linguistin, die in Zürich lehrt - kennt das Procedere bei einer Duden-Preis-Verleihung. Ist sie doch bereits vor Feilke mit der Auszeichnung bedacht worden. Sie lobt an ihm, dass er sich oft den Basisfragen zuwende: „Wie funktioniert das Selbstverständliche?“ Und: „Warum können wir die Zähne putzen - und nicht waschen?“ Sprachbenutzer seien frei geboren, doch bewegten sie sich in ihrem Leben trotzdem stets „im Kontext kultureller Handlungsfelder“.
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Das kommt auch in dem Gespräch zum Ausdruck, das Henning Lobin, Direktor des in Mannheim ansässigen Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, mit dem neuen Preisträger in ziemlich freier Rede führt. Gerahmt von ein paar Leitsätzen, wobei der erste lautet: „Man kann Sprache nur verstehen, wenn man mehr versteht als nur die Sprache.“ Und natürlich haben die zwei Herren dafür ein beredtes Beispiel: Auf die Frage „Können Sie mir sagen, wo das Schloss ist?“, reiche es nicht, einfach „Ja“ zu sagen. Eine Wegbeschreibung sei vonnöten. Die Benutzer einer Sprache müssten „auch verstehen, was gemeint ist“. Wörter rotteten sich gern zusammen, funktionierten nur in den bereits erwähnten kulturellen Kontexten.
Wie das genau geschehe, könne man am besten in der Schule lernen. Sie sei „das gesellschaftliche Sprachlabor der Schriftlichkeit“. Und wie das Wort „Labor“, aus dem lateinischen „labora“ abgeleitet, bereits andeute, gehe es dabei nicht zuletzt um Arbeit. Um „die Chance, die Schrift zu lernen“. Schreiben, Lesen, Rechnen seien unverändert die zentralen Fertigkeiten, die in einer Schule unterrichtet werden sollten. Und dann doch noch wichtiger als das Bewusstsein für den Klimawandel und die Kenntnisse im Handhaben der neuen digitalen Techniken.
Helmuth Feilke über Sprachdidaktik und die Bedeutung von Basisfertigkeiten
Feilke gibt deshalb auch immer wieder Handreichungen für die Alltagspraxis. Sieht die Rolle des Grammatik-Unterrichts an Schulen etwa eher zwiespältig, wie er in Mannheim andeutet. Oft komme er zudem zu früh, bevor die Basisfertigkeiten für den Sprachgebrauch beherrscht seien. Er denkt da „radikal pragmatisch“. Dass enorme Defizite aufgelaufen sind, verschweigt er nicht: Ein Fünftel aller Schüler im Fach Deutsch erreichten heutzutage nicht einmal die Mindeststandards.
Doch in seiner Dankesrede bleiben auch die angenehmen Dinge nicht ganz unerwähnt, und der Hochschulwissenschaftler liefert sogar eine von echter Sympathie durchdrungene Hommage an Mannheim, der Stadt Joy Flemings und der Söhne Mannheims, wie er sagt. Er denkt auch an die schönen Fachtagungen und die Abende im Restaurant „Goldene Gans“, wo er als Jungforscher, vor langer Zeit, zum ersten Mal die Koryphäen traf, die sonst nur „sonnengleich aus ihren Büchern strahlten“. Eine solche Koryphäe ist er längst auch selbst.
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