Auf der Zielgeraden von Andreas Maiers „Ortsumgehung“, so der Arbeitstitel seiner großen Wetterau-Saga, hätte man einen Buchtitel wie „Der Teufel“ eher nicht erwartet. Doch der jetzt erschienene zehnte Band heißt genau so. Der Vorgängerband von 2023 trug noch die heimelige Überschrift „Heimat“. Der elfte und abschließende, das ist bereits raus, soll schlicht mit „Gott“ überschrieben sein.
Aber schon im aktuellen Buch hat der Allmächtige mit seinem diabolischen Widersacher ein Stelldichein. Vom ersten Satz an würfeln die beiden um ein hohes Gut: Andreas‘ Seele! Die des Ich-Erzählers also, der mit dem Autor Andreas Maier nicht nur den Vornamen gemein hat.
Zu Beginn des Buchs ist Andreas fünf Jahre alt. Und ganz am Ende des Romans rekurriert der Ich-Erzähler noch einmal ironisch auf diese kindliche Perspektive. „Was haben der Teufel und der liebe Gott damals über mich, was über uns ausgewürfelt?“, heißt es da. Durch einen Absatz in seiner Bedeutung noch hervorgehoben, lesen wir im allerletzten Satz die Antwort: „Wie hat es sich ausgewachsen seit da.“ Eine Familien-, Lebens- und Gesellschaftsbilanz, die an Deutlichkeit, aber auch an Ernüchterung und Desillusionierung nichts zu wünschen übriglässt.
Gottgleich ist Andreas als Kind seinerseits darin, dass auch er, der unermüdliche Fernsehzuschauer, von klein auf alles sieht. Vom „Blauen Bock“ über Musiksendungen mit Roy Black oder Shows mit Iwan Rebroff, keine Sendung versäumt er, auch wenn er manchmal den Inhalt gar nicht versteht. Was er mitbekommt: Die Welt ist gespalten: in Räuber und Gendarm, Cowboy und Indianer, CDU und SPD, West und Ost; nicht zuletzt in Katholiken und Protestanten.
Frei von jedweder Political Correctness
Angefangen bei der Kindheit über die Adoleszenz bis ins Erwachsenenalter folgen wir ihm im Roman noch einmal auf seinem Lebensweg: von der Carrera-Phase über Bravo oder Walkman bis hin zum ersten Mackintosh. Den „linksutopischen Adoleszenten“ erleben wir aufsässig gegen Obrigkeiten und Oberlehrer oder gegen altmodische Konventionen im Tanzkurs. Später tritt er uns als friedensbewegter Sympathisant linker Männergruppen vor Augen, die an der Überwindung des Patriarchalismus arbeiten. Bei ihm selbst geht diese Arbeit fast bis zur Selbstverleugnung – um nicht zu sagen zur Selbstentmannung, wenn er beim ersten Beischlaf die Ejakulation zu unterdrücken sucht, weil die als Mittel der „Herabwürdigung der Frau zum Objekt“ des Teufels ist. Vergebens!
Glänzend und nah an den Dingen, nämlich unverstellt und unentstellt durch späteres Wissen erzählt Maier von den Wirren des jungen Andreas. Das gilt gleichermaßen für dessen Gedanken zu weltpolitischen Ereignissen jener Periode: zum Fall der Mauer, zum Jugoslawienkrieg oder den Kriegen im Irak. Denn Andreas hat da so seine eigenen Ansichten. Und die sind überraschend, ja, verblüffend und allemal bedenkenswert, weil frei von jedweder Political Correctness. So vieles, lesen wir da, wurde „unter den medialen Teppich gekehrt“. Es kommt einem, mit Blick auf die Gegenwart, irgendwie bekannt vor.
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