Kind Kaputt stechen heraus. Die Musik der Band atmet einerseits eine radikale Sensibilität, die in ihrem Inneren die Verwerfungen der Welt feinnervig reflektiert. Zugleich ist darin eine Energie zu spüren, die unbändig nach außen drängt, die mit aller Kraft und Wut gegen Wände anstürmt. Der Indie- oder Alternative Rock, in dem man die Leipziger Formation verorten könnte, schlägt in solchen Momenten eruptiver Zerrissenheit weit in den roten Post-Hardcore-Bereich aus. Man kann das auf dem fabelhaften 2019er-Debütalbum „Zerfall“ genauso nachhören, wie auf den neuen Singles „Gegen Dich“ und „Anfang und Ende“, die vom zweiten Album künden, das im Oktober erscheint – „Morgen ist auch noch kein Tag“ wird es heißen.
Außergewöhnlich ist auch der Sound von Kind Kaputt: Die vierköpfige Band mit drei Musikern (auch hierüber wird noch zu sprechen sein) spielt ohne Bass, im Studio wie auch live. Stattdessen operiert Sänger Johannes Prautzsch mit einer tiefer gestimmten Sechssaitigen, die er sowohl durch einen Gitarren- als auch durch einen Bassverstärker spielt. Da ist „ein bisschen aus der Not eine Tugend entstanden“, wie der Gitarrist und Produzent Konstantin Cajkin im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt.
Womit wir bei der Entstehungsgeschichte der Band wären, die in Mannheim begann, genauer gesagt: an der dortigen Popakademie, wo sich Prautzsch, der aus dem Leipziger Umland stammt, Cajkin, der in Eschwege aufwuchs, und der Nürnberger Schlagzeuger Mathis Kerscher gewissermaßen als Popmusikdesign-Klasse von 2014 trafen.
Längere Findungsphase
Die Band startete zunächst, als „Studenten-Ding“, erklärt Johannes Prautzsch – wie es eben üblich ist für die Eleven der Hochschule, sich in verschiedenen Formationen zusammenzufinden. Es gab noch verschiedene Wechsel, erzählt der 27-Jährige, bis die vor-finale Besetzung mit Bassist Jonathan Rietsche gefunden wurde, mit dem 2016 auch die erste Single „Denkmal“ sowie deren Nachfolger „Still Krach“ (2017) aufgenommen wurde.
Rietsche habe sich dann aber noch mehr auf sein eigenes Projekt konzentrieren wollen, und nachdem die Band nicht wieder jemanden für die Bassposition suchen wollte, landete man beim jetzigen Tiefton-Gitarren-Modell. Auf dem neuen Album, das er auch in seinem zusammen mit Prautzsch angemieteten Leipziger Studio produziert hat, klingt Kind Kaputt erstmals so, dass nichts mehr fehlt, meint Cajkin, „sondern es ist jetzt unser Sound, es ist cool“.
Von ihrem Popakademie-Studium ziehen die Drei eine positive Bilanz. „Das war schon eine wahnsinnig wichtige Zeit. Erstens, weil man den Raum bekommen hat, sich mehr oder weniger ohne Druck weiterentwickeln zu können“, sagt Mathis Kerscher, „plus die ganzen Grundlagen, die jeder mitbekommen sollte.“ Das Wichtigste aber sei, „die Weiterentwicklung, auch als Persönlichkeit“, fügt er hinzu.
Nach ihrer Popakademie-Zeit verließen alle Drei Mannheim wieder. Zwischenzeitlich war Fabian Willi Simon hinzugestoßen, der seine Rolle in der Band selbst als „Artdirector im weitestgehenden Sinne“ beschreiben würde. Der Berliner und Prautzsch waren sich schon in einem anderen Band-Kontext begegnet. Der Sänger, der wusste, dass Simon auch Drohnen-Videos anfertigt, kontaktierte ihn für den Dreh zum ersten Kind-Kaputt-Video „Denkmal“. Das erwies sich offenkundig als eine überaus fruchtbare Kooperation – das nächste Video drehte Simon, der eine Digitalisierungsagentur betreibt und Unternehmen berät, bereits alleine, bald ging dann auch bald mit auf Tour.
Er habe hier „sehr viel Potenzial, was das mal werden kann“ gesehen. Entsprechend wollte der 30-Jährige – neben der kreativen Arbeit als Filmemacher und Fotograf – mit seinem Background aus dem Projektmanagement und der Start-Up-Welt noch eine andere Komponente mit einbringen. Die Gesamtheit aus Musik, Texten, Fotos, Videos: Der Band sei von Anfang an wichtig gewesen, „dass es ein möglichst authentisches, ehrliches Produkt rundum ist“, formuliert er.
Das steckt hinter dem Namen
Und der Bandname? Der war „für mich eine Erinnerung an die Emo-Vergangenheit“, erinnert sich Prautzsch. Nicht im Sinne davon, sich die Haare schwarz zu färben, sondern vielmehr: „Wir hatten schon mit unseren Gefühlen zu knabbern und haben uns oft fehl am Platz gefühlt. Und irgendwie hat ,Kind Kaputt’ das gut beschrieben für uns.“ Mit der Musik der Band haben wir jedenfalls das Gefühl, genau an der richtigen Stelle zu sein. Das Album erscheint am 21. Oktober.
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