Ladenburg ist neuerdings zur Hauptstadt aufgestiegen. Jedenfalls in Baden-Württemberg. Und streng genommen auch nur während der zehn Tage, die sich hier der Kunst des Lesens und vor allem Schreibens widmen. Nie zuvor haben die Baden-Württembergischen Literaturtage in einer derart kleinen Stadt stattfinden können. Das basiert zum guten Teil auf dem, was „vielerorts - Literatur in Ladenburg e.V.“ in überraschend kurzer Zeit gelungen ist. Carolin Callies und Kristin Wolz verkörpern den Vereinsvorstand, sie sind beim Festival die Künstlerischen Leiterinnen. Und auch ihrerseits Autorinnen. Aber in Ladenburg ist selbst die Referentin des Herrn Bürgermeisters, Nicole Hoffmann - die das Fest maßgeblich mitorganisiert - literaturbegeistert. Städtisches und bürgerliches Engagement gehen hier Hand in Hand.
Eine gute Rede braucht einen guten Anfang und ein gutes Ende und dazwischen möglichst wenig
Da wundert es nicht allzu sehr, dass Bürgermeister Stefan Schmutz seine Begrüßungsrede im Event-Gutshof, der zwischen Ladenburg und Schriesheim liegt, mit einem literarischen Zitat beginnt. Mark Twain habe einmal beschrieben, was einen geglückten Vortrag ausmache: Der müsse einen guten Anfang und ein gutes Ende haben. Doch vor allem: kaum etwas dazwischen. Dem Gebot der Kürze wird der Bürgermeister zwar nicht vollständig gerecht, aber er hat im vollen Saal eben auch einiges zu loben. Etwa, dass die meisten der Veranstaltungen auf dem Festival bei freiem Eintritt abgehalten werden. Diesen schon im Finanziellen weitgehend barrierefreien Zugang lobt auch die nach Ladenburg gekommene Vertreterin des Kultusministeriums, Ariane Limberg.
Der Anhänger und Hauptvertreter einer alten Tradition des mündlichen Erzählens fabuliert in freier Rede
Dennoch hat man einige Autoren und Autorinnen von Prominenz gewinnen können, wie Andrea Petkovic, Terézia Mora oder Eugen Ruge. Die sind allerdings oft kostenpflichtig, was auch am Eröffnungsabend gilt, als Rafik Schami liest. Aber natürlich liest er gar nicht, dafür ist er ja bekannt: Der Anhänger und Hauptvertreter einer alten Tradition des mündlichen Erzählens fabuliert vielmehr in freier Rede. Nimmt das Publikum auf eine Reise durch einen Roman mit programmatisch vielsagendem Titel mit: „Wenn du erzählst, erblüht die Wüste“. Wo es heißt: „Ich habe eine Meisterin, die heißt Scheherazade.“ Und so ist das Buch von Rafik Schami auch gebaut: mit einer Rahmenhandlung und diversen in sie eingebundenen Erzählungen. Wie in „Tausendundeiner Nacht“.
Die Frauen als Königinnen seien im Orient früher oft die klügeren Regentinnen gewesen
Schamis Roman führt in ein kleines, ideales Reich im Orient, ins 19. Jahrhundert. Es ist autonom, der Herrscher ist ein Humanist. Und Frauenhäuser gibt es auch schon (weil halt doch nicht alles ideal ist). Überhaupt die Frauen: Rafik Schami, der in diesem Monat 78 Jahre alt wird, redet über sie in dem Roman und auch in seinem Ladenburger Vortrag stets mit höchster Wertschätzung. Im Orient habe es früher manche Königin gegeben, diese Frauen seien oft die klügeren Regentinnen gewesen. Und warum? Sie hätten einfach generell die „feineren Antennen“, findet Schami. „Männer haben etwas anderes“, fügt er hinzu. Was das genau sein könnte, lässt er lieber offen (ladenburger-literaturtage.de).
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