Mannheim. Heimkehr. So könnte man das 4. Mannheimer Schlosskonzert des Kurpfälzischen Kammerorchesters überschreiben. Das sich ja zu Recht als Sachwalter der berühmten Hofkapelle betrachtet, die genau hier vor 250 Jahren als „Mannheimer Schule“ Musikgeschichte geschrieben hat. Auch wenn das Repertoire der Nachfolger heute sehr erfolgreich bis ins 20. Jahrhundert reicht, blickt man doch oft zurück zu den Anfängen. Heimkehr für immerhin drei der fünf Werke des heutigen Abends, die hier im fast ausverkauften Rittersaal vor einem Vierteljahrtausend ihre Premiere erlebten oder zumindest aufgeführt wurden, in Anwesenheit des Kurfürsten Karl Theodor. Das hat schon eine gewisse Aura! Wobei - die knallige Akustik des Saales lässt sich vermutlich schwer ändern, das grelle Saallicht schon. Der stilgemäßen Atmosphäre täte es ganz gut.
Fils' Konzert im Mannheimer Schloss ist eine veritable Entdeckung
Im Mittelpunkt des Abends zwei Cellokonzerte der Frühklassik, Luigi Boccherinis D-Dur-Konzert und nach der Pause das in G-Dur des „Mannheimer Schülers“ Anton Fils. Letzteres eine veritable Entdeckung, formal im Barock verwurzelt, aber spannende Dialoge zwischen Cello und Orchester, ein dankbarer, einfallsreicher Solopart und ein wirklich wunderschöner langsamer Satz!
Beim Cello-Konzert liegt an Qualität eindeutig „Mannem vorn"
Nichts gegen den berühmten Italiener, aber das Stück des leider zu früh verstorbenen Fils ist das deutlich bessere. Beide Komponisten waren ja selber Virtuosen auf dem Cello und haben sich den Solopart auf den Leib bzw. die wohl sehr flinken Finger geschrieben. Letztere besitzt auch die Solistin des Abends, Annabel Hauk. Die sympathische Cellistin ist erst 24 Jahre jung und schon eine international renommierte Künstlerin. Mit ihrem „Grancino“-Cello von 1690 und seinem hier sehr passenden, vollen, warmen, fast ein wenig gambenähnlichen Klang klettert sie virtuos in höchste Höhen. Und lässt es mit volltönendem Bariton singen. Wunderbar. Das Publikum dankt mit verdienten „Bravi“ - die Solistin ihrerseits mit Bach und der flotten Courante aus der Ersten Solosuite als Zugabe.
So wie die Naturhörner des Kurpfälzischen Kammerorchester wird es damals wohl geklungen haben
Zu Beginn und am Ende des Abends stehen zwei leichtgewichtige Werke. Franz Xaver Richters kurze Sinfonie D-Dur, eigentlich noch eine italienische Opernsinfonia, und Christian Cannabichs Sinfonie B-Dur. Mannheimer Schule - Rakete, Seufzer, Walze, alles da. Aber Gebrauchsmusik halt, handwerklich gut gemacht, zu des Kurfürsten Unterhaltung. Und die überaus präsenten „Natur“-Hörner - sagen wir mal so: ziemlich authentisch, so wird’s wohl damals geklungen haben …
Wie anders doch das persönlichste Werk des Abends, Musik vom Ende des 19. Jahrhundert ohne jeden aufgesetzten Effekt, dem „Idyll“ für Streichorchester des jungen Leo Janácek. Sieben sehr unterschiedliche Stücke im böhmischen Volkston, garniert mit vertrackten Rhythmen. Der himmlisch schöne 5. Satz - ein Stück fürs nächste Traumkonzert! Hier ist das Orchester in seinem Element, präzise aufeinander hörend, wunderbar homogen trotz der kleinen Besetzung. Das liegt natürlich auch am Dirigenten, dem man ebenso wie den Musikern den Spaß an ihrem Tun anmerkt: Paul Meyer, der seit fünf Jahren mit „seinen“ Kurpfälzern erfolgreich neue Wege beschreitet, ohne die bewährten zu vernachlässigen.
Das Publikum war sehr angetan. Und Karl Theodor, wo auch immer, wohl auch.
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