Kabarett

So war der Auftritt von Urban Priol im Mannheimer Rosengarten

Wenn Urban Priol aufs vergangene Jahr schaut, können sich Prominenz, Parteien und Dauermauler warm anziehen: Mit dem traditionellen Jahresrückblick hat der Kabarettist im Mannheimer Rosengarten sein Publikum begeistert.

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
Wenn Urban Priol aufs vergangene Jahr zurückschaut, können sich Prominenz, Parteien und Dauermauler warm anziehen. © Rudolf J. Uhrig

Mannheim. Oberhalb des Hauptes sind die zu Berge stehenden Haare weniger geworden, was kein bisschen auf die Hirnzellen darunter zutrifft. Der Kabarettist mit dem stets wild gemusterten Hemd - diesmal als Autocollage - begeistert einmal mehr im knallvollen Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens. Klar blickt Urban Priol zu Beginn des neuen Jahres auf das alte zurück. Aber das ist auch schon das einzig Rückwärtsgewandte an dem messerscharfen Spötter mit Lust an Satire. Bitterböse versteht sich. Der Scharfzüngige überlässt süßliches Bezirzen dem („warum auch immer“) gehypten Zungenschmeichler Dubai-Schokolade.

Priol lästert über das Ampel-Aus genauso wie über Söders Bart

Eigentlich bedeutet „Tilt“ - so der Titel der Priol-Jahresrückblicke seit 2002 -, ein Fotoobjektiv gegenüber der Bildebene derart zu kippen, dass eine superscharfe Abbildung möglich wird. Just diesen Kamerakniff setzt der 63-Jährige kabarettistisch um. Nach Motiven musste der Mann aus Aschaffenburg vor seiner Tournee nicht lange suchen. Schließlich bescherte 2024 üppig Aufregerthemen: vom Ampel-Aus bis zur Amerika-Wahl. Und nicht nur davon erzählt Priol abstrus klingende und gleichwohl erschreckend realitätsnahe Geschichten, während er gestikulierend hin und her läuft oder am Stehtisch, der einzigen Bühnenkulisse, verweilt.

Urban Priol

  • Urban Priol, geboren 1961 in Aschaffenburg, zählt zu den erfolgreichsten deutschen Kabarettisten.
  • Sein satirischer Jahresrückblick „Tilt!“ hat auch in Mannheim Tradition.
  • Wer den Tourneeabend verpasst hat, kann sich in den Mediatheken, beispielsweise von 3sat, eine verkürzte Version anschauen. wam

Adrenalin beflügelt ihn selbst beim lakonischen Plaudern. Da kann der Mensch ja auch in Wallung geraten, wenn bei der am 6. November ausgestrahlten „Aktenzeichen XY ungelöst“-Sendung mitten im Mord als „Thriller-Killer“ eingeblendet wird, dass die rot-grün-gelbe Koalition geplatzt ist. Und ausgerechnet jetzt, staunt der „Tilter“, gelingt Olaf Scholz die gehaltvollste Rede während drei Jahren.

Polit-Ereignisse schlagen Jahr um Jahr andere Purzelbäume – das Personal bleibt häufig gleich. Und so paradieren in Priol-Rückblicken Parodier-Favoriten. Allen voran „Bayern-König“ Markus Söder, neuerdings mit Bart. Ein Anblick „zwischen Dschingis Khan nach einer verlorenen Schlacht in der Mongolei und Rainer Fassbinder in Schwabings Morgengrauen“, wie der glatt rasierte, aber strubbelig frisierte Kabarettist zur brüllenden Freude im Saal beschreibt.

Satirische Einblicke in die Politik

Dass er vom Frontmann jener Partei, die im Osten Deutschlands „rauser als raus ist“, nämlich Christian Lindner, wenig bis gar nichts hält, versucht Priol gar nicht erst zu kaschieren. Und ach wie praktisch, dass Angela Merkel ein Buch veröffentlicht hat. Dies gibt prima Gelegenheit, sich weiterhin an der einstigen Kanzlerin abzuarbeiten. Verknüpft mit dem Tipp, das 740-Seiten-Werk jemandem zu schenken, den man nicht mag.

Der Rückblick auf 2024 schreit geradezu nach einer Vorausschau. Schließlich ruft die im vergangenen Jahr eingetütete Bundestagswahl am 23. Februar an die Urnen. Priol holt fiktiv „Fritze aus dem Sauerland“ auf die Bühne. Im Schlepptau Jens Spahn als designierter Wirtschaftsminister, der sich während seiner Gesundheitsminister-Ära schon mal im Geldvernichten geübt hat, wie der vorausschauende Rückblicker lästert. Aber immerhin produziere das Duo Merz/Spahn gänzlich ohne Wärmepumpen so viel heiße Luft, dass damit ganz Stadtteile geheizt werden könnten.

Das Publikum schnappt bei prustendem Gelächter nach Luft. Selbstredend erwartet niemand von einem Kabarettisten, der kernig seziert, köstlich persifliert und kreativ formuliert, so etwas wie Korrektheit. Ganz im Gegenteil. Dafür blitzt Authentizität auf. Über die Rampe kommt, dass sich Priol über jene Partei, die „jetzt auch noch von Elon Musk gekauft ist“, nicht nur aufregt, sondern deren Erfolg ihn ängstigt. Ach, könnten doch Alice Weidel und der marsbegeisterte Milliardär zu dem Roten Planeten fliegen, wünscht sich der Kabarettist.

„Macht das Beste draus“, ruft er am Ende seinen Fans zu

Neben Prominenz und Parteien tauchen dauermaulende „Aus-Prinzip-Schimpfer“ auf, für die „das Weg“ und nicht „der Weg“ das Ziel ist: Weg mit Migranten, weg mit Windrädern, weg, weg, weg, und her mit guten Nachrichten. Dabei müsse man diese nur suchen, höhnt Priol und verweist auf marode Brücken, die teures Sprengen ersparen - siehe Carolabrücke in Dresden.

Auch wenn er beim tobend beklatschten Finale den berühmt-berüchtigten Clint -Eastwood-Spruch „Zu viele Arschlöcher, zu wenig Kugeln“ zitiert, zeigt sich der agile Mittsechziger unerschütterlich optimistisch: „Macht das Beste draus“, ruft er seinen Fans zu. Der nächste Jahresrückblick kommt bestimmt.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke