Bayreuther Festspiele

Thielemanns triumphale Rückkehr auf den Grünen Hügel

Christian Thielemann verzaubert Bayreuths Publikum mit einem einzigartigen „Lohengrin“ voller Spannung und satter Fanfaren.

Von 
Susanne Kaulich
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Über allen Zweifel erhaben: Tenor Piotr Beczała (hier im 3. Aufzug des „Lohengrin“) vermacht dem Schwanenritter sogar ein bisschen Italianità-Farben. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele/dpa

Bayreuth. Überirdisch. Neun Minuten Glückseligkeit. Sphärische Klänge aus dem magischen Festspielgraben bei geschlossenem Vorhang. Glitzernde hohe Streicher. Die Dynamik entwickelt sich ungemein organisch. Wachsendes Crescendo. Spannend. Christian Thielemann ist zurückgekehrt. Nach drei Jahren Pause zaubert er wieder. Das „Lohengrin“-Vorspiel - zum Weinen schön und aufregend zugleich. Das Tempo im Vorspiel zum Brautgemach im dritten Akt nimmt der Maestro rasend schnell, als könne er den Fortgang der Dinge zwischen Gralsritter Lohengrin und Elsa, die nach seiner Herkunft nicht fragen darf, kaum erwarten. Die vier Edlen werden durch die kräftige Rührtrommel gar zugedeckt. Harsche Kontraste, changierende Farbigkeit, packender Puls, viele so nie wahrgenommene Details. Bei Bayreuths heimlichem Meister klingt der „Lohengrin“ anders als gewohnt, transparent, impressionistisch, durchwirkt mit sattem Fanfaren-Blech. Das Publikum ist selig. Unerhörtes Getrampel, groß ist die Wiederhörens- und Wiedersehensfreude.

Ein Märchen zwischen Bedrohung und Romantik entfaltet

Auf der Bühne alles blau. Neo Rauchs bildgewaltige Wolken- und Landschaftsästhetik sowie die mit Hauben, Rüschen und Spitzkrägen versehenen Kostüme seiner Partnerin Rosa Loy versetzen in ein märchenhaftes Zeitalter. Bedroht durch Krieg, Industrie, fremde Eindringlinge und Fortschritt. Trotz Scheiterhaufen und Umspannwerk hat Regisseur Yuval Sharon schon 2018 in faszinierend beleuchteter Kulissentheater-Romantik recht konventionell choreographiert. Wirkungsvoll stehen auch jetzt die Chöre, eher statisch agieren die Solisten. Wohltuend altmodisch nach dem „Ring“.

Eine Botschaft gibt es dennoch. Weg sollen die Mottenflügel an den Kostümen. Elsa will sich emanzipieren, inspiriert von der rebellischen, am Rande der Gesellschaft stehenden Ortrud. Fast erleichtert über das Ehemisslingen nimmt der im Brautgemach so gestrenge Lohengrin, der seine Energie im Funken sprühenden Wechselstrom findet und als Elektriker mit dem Schwan ankam, am Ende Elsa die Flügel ab, setzt ihr einen orangefarbenen (Komplementärfarbe!) Tornister auf den Rücken und entlässt sie mit Brüderchen Gottfried (als knallgrünem Ampel-Männchen) in die weite, wohl nicht mehr so blaue Welt.

In Bayreuth wieder mit offenen Armen empfangen: Christian Thielemann. © Fabian Sommer/dpa

Begeistern vor allem die ungemein farbig funkelnden Orchesterpassagen, hat Thielemann in den vielen haarigen Chorstellen doch eine Menge zu tun, alles zusammenzuhalten. Gerade „Lohengrin“ gilt für den fast komplett neu zusammengestellten Klangkörper unter dem ebenfalls neuen Chordirektor Thomas Eitler de Lind als Nagelprobe. Viel Gelungenes gab’s da zu hören, besonders die weich hingehauchten Kommentare im ersten Akt, klangschön die Brabanter, die wenig homogen klingenden Brautchöre allerdings haben noch Luft nach oben.

Glanzvolle Stimmen und überraschende Entdeckungen auf der Bühne

Über allen Zweifel erhaben ist Piotr Beczalas höhensicherer Lohengrin mit Italianità-Farben. Elza van den Heevers etwas eng und instrumental geführter Sopran ist als Elsa nicht jedermanns Geschmack. Olafur Sigurdarson, am Tag davor als Alberich noch gefeiert, muss sich gar einige Buhs für seinen Telramund gefallen lassen. Miina-Liisa Värelä (Ortrud) punktet mit hochdramatischem Schlussgesang. Entdeckung des Abends: Einspringer Andreas Bauer Kanabas als König Heinrich. Für viele das Wichtigste jedoch: Thielemann ist wieder da.

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