Mannheim. Das 13. Mannheimer Indie-Musikfestival Maifeld Derby lockt an seinen ersten zwei Veranstaltungstagen jeweils rund 4000 Besuchende auf das Maimarktgelände. Dort bietet sich ihnen ein stilistisch breit aufgestelltes Programm zwischen fesselndem Live-Electro, funkelndem Disco-Pop und energetisch-rauem Alternative-Rock.
Geister zu sehen – oder besser: zu hören - ist in diesem Fall keine phantasmagorische Sinnestäuschung, sondern ein sehr konkretes, großartiges Erlebnis: „Ghosts“ heißt das aktuelle Album der polnischen Pianistin, Sängerin und Komponistin Hania Rani, in dessen suggestive Tiefen sie uns bei ihrem Auftritt am zweiten Festivaltag des 13. Maifeld Derby auf dem Mannheimer Maimarktgelände einsinken lässt. Ihre zwischen den Sphären elegischer, sternenklar besungener Neoklassik und dunkel-dramatischem, impulsivem Electro changierende Musik öffnet im Palastzelt gleichsam die Pforten zwischen Dies- und Anderswelt, lädt einen zur rauschenden Gespenster-Ballnacht ein.

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Deutlich dem (Disko-)Licht zugewandter - auch wenn auf dem Indie-Musik- und -Kulturfestival inzwischen die Dunkelheit Einzug gehalten hat – zeigt sich Hani Ranis Kölner Musikerkollege Roosevelt, der kurz darauf mit seiner Band auf der benachbarten Open-Air-Bühne auftritt. Der vom French-House inspirierte Dance-Pop-Sound des Sängers, Songwriters, Keyboarder und Gitarristen funkelt druckvoll und funky – und versetzt das Publikum praktisch aus dem Stand in Tanzbewegung. Roosevelt agiert damit auf absolut internationalem Nivea (was auch seine Kooperationen mit Künstlern wie „Get Lucky“-Co-Songwriter Nile Rogers und Remix-Arbeiten für nicht ganz unbekannte Kunstschaffende wie Taylor Swift belegen). Dafür gibt es vier von vier Daft-Punk-Sternen.
Mit einem isländisch-färöischen Projekt geht es anschließend weiter: Auch wenn Kiasmos mit einer durchdachten Show im Palastzelt durchaus wirkt – so richtig Stimmung kann und will bei den Tracks nicht aufkommen. Das Duo hat sich einen Namen mit sphärischen Klanglandschaften auf ansonsten eher minimalem Techno gemacht. Statt dem schnellen Drop ein melancholisches Cello. Das hört sich auch wunderbar an – live nehmen die beiden aber immer wieder Tempo aus ihrem Live-Set. Manche Besucher drehen da schnell wieder um.
Mit einem Knall treten danach Modeselektor an die Decks. Das Berliner Duo startet die direkt mit Bpm jenseits des Ruhepulses. Statt Leinwand und ausgeklügelter Lichtshow stehen die beiden vor einem Tisch mit Kabeln und Knöpfen. Und nehmen das von Sekunde eins an mitfeiernde Publikum mit auf einen wilden Ritt durch die letzten 30 Jahre Rave-Geschichte. Immer wieder lassen sie ihre eigenen Stücke wie das 2007er „Let Your Love Grow“ einfließen. Mit einer Erinnerung an ihren Besuch 2017 als Trio Moderat verabschieden sie sich mit dem hymnischen „New Error“ – viel zu früh, wie auch die beiden Musiker meinen.
Konzerte, Lesungen, DJ-Sets und Filmvorführungen
Insgesamt treten an den drei Festivaltagen fast 70 internationale Acts verschiedenster musikalisch-künstlerischer Couleur auf den fünf Bühnen auf, die auf dem weitläufigen Areal rund ums Reitstadion verteilt sind; neben Konzerten finden sich auch Lesungen, DJ-Sets und Filmvorführungen im Programm. Dabei sorgen allerlei memorable Momente dafür, dass aus trüben Wetter noch lange kein Grund zur Trübseligkeit erwächst, eher im Gegenteil. Am Samstag, den der Mannheimer Chor für Menschen die nicht singen können mit mitreißend anarchischer Verve eröffnet, begeistert etwa die Band Sorry3000 mit ihrem bezaubernd doppelbödigen „Real Pop“, während auf der Arena-Bühne auf dem Reitplatz das Instrumental-Musikprojekt Zahn mit mahlend-mäandernden Post- und Noise-Rock beeindruckt. Merken wird man sich auch die US-amerikanische Elektro-Singer-Songwriterin Angelica Garcia, die im Palastzelt eine expressive Musik- und Bühnen-Performance zelebriert. Und abends liefern zunächst die britischen Indie-Rocker The Vaccines eine mitreißende Show, bevor die beiden Headliner des Tages im Palastzelt gefeiert werden: Erst Edwin Rosen, der aus Stuttgart stammende Wegbereiter der Neuen Neuen Deutsche Welle mit seinen nachgerade hypnotischen Songs, und dann die Electro-Dance-Pop-Ikone Róisín Murphy, bekannt als Sängerin des schillernden britisch-irischen Duos Moloko, die hier stimmgewaltig mit ihrer fünfköpfigen Live-Band groovt.
Ein bisschen ungünstig, aber in der Natur eines Open-Air-Festivals verankert ist es, wenn der Sound eines lauteren Geschehens den eines leiseren überlagert: Etwa wenn die Musik von Zahn ein wenig Fokus-stehlend in den benachbarten Parcours d'amour ausgreift, wo die Musikerin und Autorin Kati von Schwerin mit humorvollem Esprit aus ihrem Roman „Berlin Ja, wir hatten mal was“ liest. Aber das bleibt (zumindest unserem Erleben nach) die Ausnahme und man staunt, wie reibungslos die Vertaktung der Auftritte funktioniert. Wir sind erwartungsvoll gespannt auf das sonntägliche Abschlussprogramm.
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