Ausstellung

Ugo Dossis Kunst schlägt in Mannheim einen Bogen von den Pharaonen bis zur modernen Kosmologie

Die Ausstellung „Zeichen und Wunder“ zeigt rund 30 Arbeiten im REM Museum Engelhornhaus  - mit einer kaum fassbaren Bedeutungsfülle

Von 
Christel Heybrock
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Ugo Dossi in seiner Mannheimer Ausstellung. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Nicht das Sichtbare sei wesentlich, sondern das Unsichtbare zwischen den Dingen, sagt der deutsche Künstler Ugo Dossi über seine Arbeit. Was macht ein Künstler, dessen Arbeitsmaterial aus Sichtbarem, mit der Hand zu Gestaltendem besteht, um das Unsichtbare erkennen zu lassen? Er befasst sich mit Zeichen, in denen das Wesentliche sprechen kann. So wie die Hieroglyphen der Ägypter. Oder er bedient sich einer Technik der Surrealisten, dem automatischen Zeichnen, das unbekannte Energien aus dem Zeichner hervorholt. Er kann heute auch zu elektronischen Medien greifen, die aus elektrischen Impulsen Sichtbares, wenn auch nicht Greifbares entstehen lassen.

Mit eben diesem Arbeitsmaterial überrascht Dossi im Erdgeschoss des neuen REM-Hauses, dem Museum Peter & Traudl Engelhornhaus in C4, 12: Mittels Extended-Reality-Technik und einer jener unförmigen Spezialbrillen kann sich der Betrachter in weite Räume voller „Zeichen und Wunder“ versetzen, um darin herumzuspazieren. Ich habe allerdings neidlos darauf verzichtet und dafür die raumlose, aber unendliche Klarheit jener Zeichen aufgenommen, die ohne Brille als Wandprojektion auftauchen und Dossis „Alphabet der Archaeogramme“ vorführen: der altägyptische Anch-Schlüssel als Zeichen für Leben, das Auge, die Treppe, die Welle, die Hand, die Kobra…

Alte Linien mit erneuter Bedeutung

Dossi erfüllt nicht nur die Jahrtausende alten Linien mit erneuter Bedeutung, sondern fügt eigene hinzu, den Kuss, die Spirale, den Mund, das Schlafende Gesicht - und schließlich die „Relative Freiheit“. Das ist eine menschliche Ganzfigur mit unscharfen Rändern, entnommen der stilisierten Darstellung eines Sportlers auf der Münchner Olympiade 1972:

Der Mann hat eben angesetzt zum Salto, die Arme bogenförmig ausgebreitet, die Beine geschlossen, das Gesicht bereits nach oben gewandt, gleich wird er im Überschlag die Füße vom Boden heben und… wo wird er landen? Dossis „Relative Freiheit“ ist sein Urzeichen für die Situation des Menschen. Landen wird er nicht, auf der großformatigen Zeichnung „Trinity“ saust die armbrustförmige Figur mit den zur Kreissehne gespannten Armen kopfüber kopfunter auf einer endlosen Bahn herum, einer Bahn, die aus sechs ineinander übergehenden Kreisen besteht, die ihrerseits eine Trinität darstellen.

Die Ausstellung

  • „Zeichen und Wunder“: bis 30. Juni 2024, REM Mannheim, Museum Peter & Traudl Engelhornhaus, C4, 12. Geöffnet täglich außer montags 11-18 Uhr.
  • Der Katalog (25 Euro) erschien im Swiridoff_Verlag zur Ugo-Dossi-Ausstellung 2022 im Museum Würth zu Künzelsau.

Kaum fassbare Fülle

Die Dreiheit, das Dreieck - noch so eine mit unendlichen Bedeutungen erfüllte Urform, und irgendwann beim Rundgang durch die knapp 30 Exponate stellt man fest, dass Dossis Kunst nicht nur Unendliches beschwört, sondern selbst eine kaum fassbare Bedeutungsfülle enthält. Allein das menschheitsgeschichtliche Spektrum überspannt Jahrtausende zwischen Höhlenmalerei (hier nicht präsent, weil Dossi sich wegen der REM-Ägyptensammlung auf die Kultur der Pharaonen beschränkte) und jüngsten Erkenntnissen der Kosmologie. Die Möglichkeit holografischer Materialien ließ ihn schließlich Darstellungen von Himmelskörpern und kosmischen Energien in Angriff nehmen wie die Darstellung eines Schwarzen Lochs in dem Werk „Portal“ oder bei „Vortex“ (Wirbel), einer Form, aus der Dossi unter anderem den „Doppelvortex“ entwickelte.

Wo befindet sich der Mensch, der ja ebenso Dossis zentrales Thema ist? Denkt man seine Anregungen weiter, so hat der Mensch keinen Ort als in sich selbst, in seiner eigenen Erkenntnisfähigkeit. Als Astronaut in unendlichem Raum kann er sich nur seiner eigenen Zeichen und seiner ägyptischen (bis heute gültigen) Weisheit vergewissern: „Mach kein Feuer, wenn du es nicht löschen kannst“, heißt es auf einer der Mitnehm-Kärtchen mit klugen Sprüchen der Pharaonenkultur. Na, wem könnte man das heute nicht alles ans Herz legen?!

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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