Pop - Indierocker von Archive machen Station im 25. Jubiläumsjahr mit einer Retrospektive in Mannheimer Capitol

Verloren in der Vielseitigkeit

Von 
Sandra König
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Pollard Berrier (Gesang, Gitarre) beim Auftritt im Capitol. © Rinderspacher

25 Jahre gibt es das Kollektiv Archive um Darius Keeler und Danny Griffiths – eine lange Zeit, sich stetig zu verändern. Derzeit sind die Londoner auf Jubiläumstour, die sie am Donnerstagabend ins Mannheimer Capitol geführt hat.

Viel übrig bleibt vom einstigen Label als Trip-Hop-Band nach dem Konzert allerdings nicht: Nur selten wird er langsam und schwer, vielmehr sind es längst Indie- und Postrock-Elemente, die den Archive-Sound prägen.

Wo die Londoner Band auf der einen Seite mit zwölf Mitgliedern aus dem Vollen schöpfen kann, wird die große Vielfalt innerhalb der Stücke gleichzeitig zum Pferdefuß des Auftritts.

Überpünktlich greifen Keeler, Griffiths und Kollegen in die Tasten und Saiten, spielen sich in guten zwei Stunden durch neun von zehn ihrer Alben, wobei der Schwerpunkt auf „Controlling Crowds“ liegt – ihrer ersten in Deutschland erfolgreichen Scheibe von 2009. 800 Fans sind in die Waldhofstraße gepilgert; allein, die Stimmung bleibt über weite Strecken verhalten. Dabei hat die Band groß aufgefahren: Licht und Sound sind stark, trotz der oft verfremdeten Klänge bleibt der Klang klar, die Instrumente und Samples mischen sich zu einer gewaltigen Tonwand, die trotz der Dichte luftig ist. Immer wieder reizen Archive innerhalb eines Stückes die dramaturgische Bandbreite von ganz voll bis minimalistisch aus, Schlagzeuger Smiley haut ebenso virtuos wie kräftig auf die Felle und Becken. Er ist das rhythmische Zentrum der Band. Doch insgesamt erreicht das Kollektiv sein Publikum nur streckenweise. Zu klar und sauber tönt es, ohne Ecken und Kanten zum Reiben, fast steril, zu verschieden sind die Stücke untereinander – ein Fluch im Segen der stetigen Weiterentwicklung der Band in 25 Jahren.

Epischer Titelsong

Am besten kommen die Nummern an, die Gitarrist und Sänger Pollard Berrier präsentiert: „Fuck U“ vom ersten Album „Noise“, „System“ vom Nachfolger „Lights“, mit dessen epischem Titelsong Keeler und Griffiths die Zugabe einläuten und nochmals für Begeisterung sorgen, bevor sich Archive mit dem halbakustischen „Again“ verabschieden. Auch „Dangervisit“ und „Controlling Crowds“ sorgen noch einmal für erhobene Arme und eine tanzende Menschenmenge vor der Bühne. Dazwischen bleiben die Füße meist am Boden und wippen mitunter nicht einmal mit. Die komplett in Schwarz gekleideten Musiker indes sind in ihr Spiel vertieft; nur Keeler wirbelt hinter seinen Keyboards und treibt das Publikum an.

Insgesamt verlieren sich Archive in ihrer Vielseitigkeit, die wohl auch der Kreativität der beiden Bandgründer geschuldet ist. Melodische Schwere („System“) steht rasendem Indierock („Violently“) und einer Pop-Ballade („End of Our Days“ – sehr klar gesungen von Holly Martin und viel beklatscht) gegenüber. Dazwischen Nummern, die eher zum berauschten Zuhören im Clubsessel als für die Tanzfläche gemacht scheinen. Ein abwechslungsreiches Konzert. Und ein ebenso ambivalentes.

Freie Autorin

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