Das Interview

Vlachopoulos: „Mit Humor Klischees entkräften“

Von 
Lisa Gabauer
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Mannheim. Ein Name wie ein Zungenbrecher: Nektarios Vlachopoulos. Lässig schlendert der 32-jährige Kabarettist und Poetry-Slammer mit schwarzer Sonnenbrille zum Interview. Anfang Juli ist seine erste CD erschienen. Im Gespräch berichtet er von seiner Zeit als Deutschlehrer, neuen Projekten - und einem Treffen mit Bülent Ceylan.

Herr Vlachopoulos, wie oft müssen Sie Leuten erklären, was Sie beruflich machen?

Nektarios Vlachopoulos: Mittlerweile so gut wie gar nicht mehr. Früher musste ich das immer und überall erklären. Aber spätestens seit Julia Engelmann (deutsche Slam-Poetin, deren Auftritt an der Universität Bielefeld zu einem Internet-Hit wurde, Anm. d. Red.) weiß jetzt eigentlich jeder, was Poetry-Slam ist.

Vor Kurzem ist Ihr erstes Soloprogramm „Niemand weiß, wie man mich schreibt“, eine Zusammenstellung ihrer bisherigen Stücke, auf CD erschienen. Wie kam es dazu?

Vlachopoulos: Jemand vom Verlag „WortArt“ saß bei einer meiner Shows im Publikum. Das hat dem anscheinend ganz gut gefallen, und so wurde innerhalb weniger Monate von der Idee dann ein fertiges Produkt.

Sie sind das Kind griechischer Einwanderer, in Deutschland geboren, fühlen sich Ur-Deutsch, werden aber trotzdem gefragt, warum Sie nicht Mal einen „Kanacken-Text im Bülent Ceylan-Style schreiben“, wie Sie in „Bürger mit Integrationshintergrund“ sagen. Nervt Sie das?

Vlachopoulos: Mittlerweile nicht mehr, ich habe da heute Verständnis dafür. Mein Name klingt halt einfach anders, was dazu führt, dass die Leute verwundert sind, dass ich Germanistik studiert habe und jetzt auch noch so viel mit Sprache zu tun habe.

Und so wie Bülent Ceylan das macht, der aus seiner Herkunft ein ganzes Programm stemmt, wäre das für Sie in Frage gekommen?

Vlachopoulos: Am Anfang nicht. Seitdem ich aber auch bei Comedy-Mix-Shows auftrete, habe ich darüber nachgedacht, weil ich festgestellt habe, dass die Gags dazu auf der Straße liegen. Ich kann mir also schon vorstellen, noch ein bisschen mehr über meine Herkunft zu sprechen. Stand-up-Comedy ist ja immer auch sehr persönlich.

Humor ist also ein gutes Mittel, um mit dem viel diskutierten Thema Integration umzugehen?

Vlachopoulos: Wenn sich dieser nur darin erschöpft, Klischees aufzulisten und die auf der Bühne zu bestätigen, dann hat das keinen Mehrwert, finde ich. Aber wenn man diese Klischees auf der Bühne entkräftet, ja, dann kann man auch über solchen Themen reden - oder sollte man vielleicht sogar.

Kennen Sie Bülent Ceylan auch persönlich?

Vlachopoulos: Ja, ich habe ihn hier in Mannheim bei dem Wettbewerb „Bülent sucht nen neuen Bülent“ kennengelernt. Da habe ich mitgemacht, aber ganz schlecht abgeschnitten (lacht). Ich fand ihn aber sehr, sehr nett.

2011 wurden Sie zum besten Poetry-Slammer Deutschlands gekürt, ab 2016 kamen diverse Kabarett-Preise dazu. Würden Sie sich heute eher als Slam-Poet oder als Kabarettist bezeichnen?

Vlachopoulos: Immer noch eher als Slam-Poet, obwohl ich mittlerweile eigentlich mehr Kabarett mache. Im Grunde genommen stecke ich das aber am liebsten in überhaupt keine Kategorie, sondern finde die Bezeichnung Humorist ganz sympathisch. Das legt mich auf nichts fest.

In Ihrem Text „Der große Kleinkunstpreis“ gibt es die folgende Zeile: „Das Publikum ist deutlich älter, die Leute atmen lauter als sie lachen“. Es gab also Eingewöhnungsschwierigkeiten?

Vlachopoulos: Auf jeden Fall! Das ist ja eine komplett andere Sportart. Poetry-Slam ist eher ein Kurzstreckenlauf und so ein 90-Minuten-Abend dann eher ein Marathon. Da musste ich mich erst selbst disziplinieren, ein bisschen Tempo rauszunehmen.

Besteht zwischen Ihnen und anderen Slam-Poeten, Kabarettisten oder Comedians ein enger Kontakt?

Vlachopoulos: Gerade unter uns Slam-Poeten ist das Netzwerk sehr, sehr eng verflochten. Ich bin hier in Mannheim auch Teil einer Arbeitsgruppe, bestehend aus dem Musiker Tilman Clas, dem Slam-Poeten Andi Valent und dem Comedian Tino Bomelino. Wir treffen uns seit Anfang dieses Jahres, stellen unsere aktuellen Projekte vor, und sprechen Probleme an. Es ist sehr wichtig, Gleichgesinnte zu haben.

Sie haben zweieinhalb Jahre als Deutschlehrer gearbeitet. Waren die Auftritte unter Ihren Schülern ein Thema, haben die das mitbekommen?

Vlachopoulos: Ja, natürlich. Das erste, was Schüler machen, wenn die einen neuen Lehrer kriegen, ist, ihn erstmal zu googeln, das ist klar.

Wie waren die Reaktionen?

Vlachopoulos: Die haben sich nicht so sehr für meine Texte interessiert, sondern mehr für die Tatsache, dass ich auf der Bühne stehe. Am meisten ausgerastet sind sie tatsächlich, als sie mitgekriegt haben, dass ich Bülent Ceylan getroffen habe (lacht). Aber ich habe noch heute einen Schüler, der zu fast allen meinen Auftritten kommt, und ein großer Fan ist. Das ist wirklich süß.

Wie oft sind Erlebnisse aus Ihrer Zeit als Lehrer in Texte eingeflossen?

Vlachopoulos: Ich muss gestehen, dass ich bei meinem Text „Lehrer“ noch nicht einmal die Namen meiner Schüler verfremdet habe …

Aber die haben das nicht mitbekommen?

Vlachopoulos: Bisher nicht (lacht).

Im besagten Text heißt es auch: „Irgendwann geht man arbeiten und merkt, dass alles scheiße ist.“ War’s so schlimm?

Vlachopoulos: (lacht). Nein, ich glaube, aus mir wäre noch ein brauchbarer Lehrer geworden. Ich finde den Beruf tatsächlich schön, nur habe ich dann etwas entdeckt, was mir einfach noch mehr liegt.

Sie arbeiten aktuell an Ihrem zweiten Soloprogramm, „Ein ganz klares Jein!“. Worum geht es?

Vlachopoulos: Allzu viel möchte ich noch nicht verraten, aber so viel: Es wird darum gehen, dass man nicht immer so „Schwarz-Weiß“ denken soll, dass es viele Abstufungen gibt, zwischen Ideologien und Wahrheiten.

Also wieder eine gute Portion Gesellschaftskritik?

Vlachopoulos: Ja, auch. Ich komme nicht umhin, gesellschaftskritisch zu sein. Aber das Programm soll auch nicht nur aus einem erhobenen Zeigefinger bestehen.

Werdegang des Wort-Jongleurs

Nektarios Vlachopoulos ist 1986 im Kraichgau geboren. Einem breiteren Publikum bekannt wurde er durch seinen Sieg 2011 bei der Poetry Slam-Meisterschaft in Hamburg. 2017 erhielt der heute 32-Jährige den Förderpreis des Kleinkunstpreises Baden-Württemberg.

Vlachopoulos hat Germanistik und Anglistik in Heidelberg studiert und einige Jahre in Mannheim gelebt. Er arbeitete als Deutschlehrer an einer Berufsschule in Neckarsulm. Heute arbeitet er freischaffend in Heilbronn.

Seine erste CD ist Anfang Juli erschienen. Am Mittwoch, 29. August tritt er beim Zeltspektakel in Walldorf auf. Karten: reservix.de. gbr

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