Europa_Morgen_Land

Vom Suchen und Finden der Heimat

Die Literaturreihe Europa_Morgen_Land feiert ihr 22-jähriges Jubiläum mit abwechslungsreichem Programm: Es gibt eine Mischung aus Symposien, Ausstellungen und Workshops

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Maria Herlo
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Beim Symposium „Frei-Räume“ dabei: die ukrainische Schriftstellerin Tanja Maljartschuk. © Sofija Rudejchuk/Usedomer Literaturtage/dpa

Von Maria Herlo

Laut Lesen bringt mehr als leises Lesen. Das beweist die Lesereihe Europa_Morgen_Land schon seit vielen Jahren aufs Schönste. Denn Lesen schließt dort auch Gespräche und Begegnungen mit ein. Und so heißt auch das diesjährige Motto, unter dem das Programm zum 22-jährigen Jubiläum der Literaturreihe stattfindet, „Lesungen - Gespräche - Begegnungen“.

Die Veranstalter, das Kulturamt Mannheim, Kulturbüro Ludwigshafen, Stadtbücherei Frankenthal und die Vereine Kultur-Rhein-Neckar sowie KulturQuer/QuerKultur-Rhein-Neckar, bringen somit nicht nur die neueste deutschsprachige Literatur in die Region, sondern nehmen auch die Verbindung mit anderen Künsten sehr ernst - und verschmelzen Lesungen auf unterschiedliche Weise mit ihnen. Es gibt zahlreiche Schriftsteller, die über ihr Genre hinaus aktiv sind, etwa als Musiker oder Schauspieler. So trafen die Besucher der Ausstellung, die im Oktober im Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen eröffnet wurde, auf den Schriftsteller Jarosláv Rudi, der gemeinsam mit dem Rocksänger Jaromír Svejdík die Comicfigur Alois Nebel entworfen hat.

Ein zentrales Anliegen der Reihe war zudem von Beginn an, Autorinnen und Autoren einzuladen, die auf Deutsch schreiben, obwohl ihre Muttersprache eine andere ist. „Mit unserem Jubiläumsprogramm wollten wir ihnen Gelegenheit bieten, Grenzen zu überschreiten und über das normale Format hinauszugehen“, sagt Eleonore Hefner vom Organisationsteam, „zugleich auch zu rekapitulieren, was in den vergangenen Jahren deutlich wurde.“

Themen aktueller denn je

Zentrale Themen waren schon immer die kulturelle Vielfalt, Migrationserfahrungen, Ankunft in neuem Land und nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit autokratischen Regimes. Denn viele der Autorinnen und Autoren kämen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. „Sie mussten ihr Land verlassen und in der Fremde Fuß fassen. In diesem Sinne ist für mich persönlich das Symposium am 4. November bedeutsam, das durch den Krieg in der Ukraine aktueller denn je geworden ist“, sagt Hefner. Unter dem Titel „Frei-Räume“ gehen an diesem Tag die slowakisch-schweizerische Schriftstellerin Irena Brezná („Wie ich auf die Welt kam“) und die ukrainische Autorin Tanja Maljartschuk („Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus“) dem „utopischen Potenzial der Literatur“ nach und setzen sich gleichzeitig mit der Geschichte Ost- und Mitteleuropas auseinander.

Einen Blick auf die deutsche Sprache werfen am Freitag, 21. Oktober, mehrsprachige Autoren wie Tomer Gardi („Eine runde Sache“), Lena Gorelik („Wer wir sind“) und Ilma Rakusa („Kein Tag ohne“) beim ganztägigen Symposium unter dem Motto „Sprach-Welten“, das von der Mannheimer Germanistin Anna-Katharina Gisbertz moderiert wird.

Großer Resonanz erfreute sich bereits das erste Symposium Auf-Brüche“ am 14. Oktober, das vom „Weggehen, Ankommen, Heimaten finden in Sprachen und Literatur“ handelte. Moderiert wurde der Abend von Yilmaz Holtz-Ersahin, Leiter der Mannheimer Stadtbibliothek, gemeinsam mit dem italienischen Autor und Literaturwissenschaftler Carmine Gino Chiellino und der Berliner Journalistin Emilia Smechowski.

Ein Gewinn für die Literaturreihe sind auch die verschiedenen Workshops, darunter die Schreibwerkstatt mit Dimitrie Dinev, junge Blochianer im Gespräch mit Jarosláv Rudi oder die Schreibwerkstatt „Zwischen Heimat und Fremde“ mit Emilia Smechowski.

Dankbar für Unterstützung

Eleonore Hefner vom Veranstaltungsteam zieht eine positive Bilanz. „Die Reihe ist gut gestartet“, konstatierte sie. Viele Autoren, die sich bei Europa_Morgen_Land mit ihren Debütromanen vorgestellt haben, darunter Zsuzsa Bánk, Terézia Mora oder Abbas Khider, seien danach berühmt geworden und haben viele Preise gewonnen. Dankbar ist Hefner darüber hinaus für die Unterstützung durch den Deutschen Literaturfonds, „ohne die wir das nicht auf die Beine hätten stellen können“. Kultur, sagt sie, „braucht solche Unterstützung“.

INFO

Freitag, 4. November, 11 bis 17 Uhr: Symposium III - Frei-Räume „Das utopische Potenzial der Literatur“, Ernst-Bloch-Zentrum, Ludwigshafen, mit Irena Brená und Tanja Maljartschuk.

Die Teilnahme kostet ermäßigt 10 Euro (regulär 15 Euro) inclusive Getränke und Snacks, für Kulturpass-Inhaberinnen und -Inhaber gibt es Freikarten. Anmeldung unter anmeldung@bloch.de.

Sonntag, 23. Oktober, 17 Uhr: Port 25, Mannheim, Lesung mit Franco Biondi.

Die Ausstellung „Alois Nebel“ im Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen ist bis 22. Dezember zu sehen.

In der Stadtbücherei Frankenthal ist bis 19. November die Videoinstallation „Autor*innen-Porträts“ von Steffen Kayser zu sehen - mit Kurzfilmen über Marjana Gaponenko, Olga Grjasnowa und Abbas Khider, die alle zu Gast bei Europa_Morgen_Land waren. herlo

Freie Autorin

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