Schauspiel

Von der Einsamkeit des Asteroiden im All

Premiere von „Der Sturz der Kometen und der Kosmonauten“ am Mannheimer Theaterhaus G7

Von 
Martin Vögele
Lesedauer: 
Discokugeln, die Planeten ähneln, hängen über Irina Maier an der Decke. © Theaterhaus

„Weißt Du“, sagt der Mann zu seiner Tochter, „das Paradies, das erwies sich als nicht besonders paradiesisch“. Das Paradies, das keines war, war Frankreich, und der Mann damals Doktorand in Russland, von wo er, angelockt durch Versprechungen über glänzende Möglichkeiten, mit seiner Frau und seinem Kind nach Paris flog. Kurz bevor die UdSSR unterging – der Asteroid gleichsam in seine Bestandteile zerbrach.

Davon erzählt das Schauspiel „Der Sturz der Kometen und der Kosmonauten“ von Marina Skalova, dessen deutschsprachige Erstaufführung in der Regie von Theater-Co-Leiterin Inka Neubert am Mannheimer Theaterhaus G7 Premiere feiert. Die Dichterin und Autorin Skalova selbst hat ihren Text zusammen mit Frank Weigand aus dem Französischen übersetzt.

Der Vater (Matthias Hecht) verkauft nun seit über 20 Jahren Autos. Auch jetzt, als er sich bei seiner Tochter (Irina Maier) meldet, will er einen Wagen von Berlin nach Moskau überführen und sucht eine Bleibe in der Hauptstadt. Sie, die gerade an ihrer Dissertation, offenbar in Astrophysik, arbeitet, will ihn – völlig unerwartet – begleiten. Vordergründig startet das zerstrittene Gespann einen Road-Trip nach Moskau.

Planeten und Astronautenanzüge

Aber viel mehr ist es eine Fahrt durch die Geschichte und gemeinsame Erinnerungen, und durch die Seelenlandschaften zweier einander entfremdeter, einsamer und im kosmischen Koordinatensystem haltloser Menschen. Sie werden gut gespielt: Maier gibt die Tochter vordergründig jovial-abgeklärt, aber unter einer dünnen Membran meint man zudem eine dauerhafte, pulsierende Anspannung zu spüren. Hechts Vater ist nüchtern, von desillusionierter Gemütsschwere, aber mit melancholisch-schwärmerischen Anflügen.

Acht Discokugeln hängen wie die Planeten unseres Sonnensystems an der Decke im Theaterhaus, zwei Astronautenanzüge an der Wand (Bühne und Kostüm: Isabell Wibbeke). Neubert nutzt die ganze Länge des Raums als Spielfläche, wodurch die Distanz – und (wieder-)gewonnenen Nähe – zwischen den beiden Figuren eine plastische Dimension erfährt.

Vielfältige Monologe

Das Stück ist von assoziativen Monologen und Reflexionen durchzogen: über die Physik von Blitzen, über Liebe und Drogen, die Historie und Folgen der sowjetischen Staatenerosion, über die Schuld Putins und die Leere und Einsamkeit im All.

Das hat eine suggestive poetische Kraft, zugleich zerstäuben diese Verästelungen die dramaturgische Geschlossenheit der zentralen Handlung – denkt man erst. Um dann peu à peu zu merken, wie sich die allegorischen Elementarteilchen bei dieser sehenswerten Inszenierung in eindringlicher Intensität zusammenfügen.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen