Interview

Warum sich Edwin Rosen sehr auf das Mannheimer Maifeld Derby freut

Der 25-jährige Synthie-Pop-Songwriter kehrt als einer der Headliner am Freitag zum Indie-Pop-Festival auf dem Maimarktgelände zurück und erklärt, warum der New-Wave-Sound der 80er Jahre das Lebensgefühl seiner Generation trifft

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Hat nicht nur den Begriff Neue Neue Deutsche Welle geprägt: Sänger Edwin Rosen. © Clara Fuchs

Mannheim. Herr Rosen, 2021 wurden Sie bei der Pandemie-Ausgabe des Maifeld Derbys gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Die Leute kannten fast alle ihre Texte, obwohl Sie relativ neu im Geschäft waren – war das ein besonderer Abend?

Edwin Rosen: Es war eines der ersten Festivals, das ich gespielt habe. Und ich konnte das erste Mal mit Max Gruber von Drangsal auftreten, mit dem ich „Nur ein Wort“ von Wir sind Helden gecovert habe. Das war wirklich ein kleiner Ritterschlag. Das war insgesamt mega; das coole erste Festival trotz Pandemie-Ausgabe und dadurch begrenzter Kapazität. Es hat sich nicht so krass angefühlt, wie man es im Kopf hat, aber unter den Umständen war es eines der schönsten Festivals, das man sich hätte vorstellen können für mich.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Damals manifestierte sich beim Derby spürbar das Aufbranden der Neuen Neuen Deutschen Welle mit Drangsal als Headliner und anderen Acts wie Sofia Portanet und Luis Ake. Inzwischen lassen unter anderem die Wahl-Mannheimerin Paula Carolina, Bibiza, Betterov und viele andere den musikalischen Zeitgeist der 80er aufleben. Warum fasziniert Ihre Generation dieser mehr als 40 Jahre alte Sound?

Rosen: Da gibt es nicht eine, ganz einfache Antwort, glaube ich. Im Philosophie-Studium haben wir uns auch mit Mark Fisher und dem Thema Hauntology beschäftigt, bei dem es darum geht, dass irgendwann der Punkt erreicht war, dass nichts Neues mehr entsteht. Alles wird nur noch so ein bisschen zur Referenz voneinander. Im Rhythmus alle 30 Jahre wiederholen sich Sachen. Jetzt sind die 80er „dran“. Vielleicht auch deswegen, weil es unsere Eltern schon gehört haben. Die NDW ist lange genug her, dass man zwar keine persönlichen Bezüge zu der Musik hat. Aber man verbindet trotzdem Emotionen mit ihr, wenn man sie das erste Mal bewusst hört. Bei mir war das so, weil meine Eltern haben eben solche Klassiker wie Depeche Mode oder The Cure gehört. Das heißt, ich kannte es schon irgendwie. Aber als ich dann selbst zu der Musik gefunden habe, habe ich sie ganz anders wahrgenommen. Diese Melancholie, die gerade in New Wave und bei den New Romantics mitschwingt, bringt eine gewisse Schwere mit. Das ist, was den Zeitgeist betrifft, weiterhin aktuell.

Festival-Vorschau

Zeitplan fürs Maifeld Derby 2024 steht: Neue Bühnen, alte Qualität

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren

Wer mit NDW und dem Synthie-Pop der New Romantics aufgewachsen ist, lebte oft auch mit einer ähnlichen Untergangsstimmung wie Teile Ihrer Generation. Aufgrund von atomarem Wettrüsten, Tschernobyl, Umweltthemen und Wirtschaftskrisen mit hoher Arbeitslosigkeit. Sehen Sie Parallelen?

Rosen: Ich habe schon das Gefühl, dass in der Jugend heute eine gewisse ... ich würde es nicht Ausweglosigkeit nennen, aber eine ähnliche allgemeine Haltung existiert. Man merkt es daran, wie groß Themen wie zum Beispiel mentale Gesundheit in den Social Media werden. Ich glaube, weil die Situation gerade nicht so vielversprechend aussieht wie vielleicht Anfang der 2000er, als das Internet kam und man dachte, alles wird mega und besser. Jetzt ist der Punkt gekommen, dass es von allem zu viel gibt. Alles fühlt sich schwer an, auch wegen der ganzen Konflikte. Es gibt viele Punkte, die eine Zukunftsungewissheit mit sich bringen.

Auszeichnung

Mannheimer Maifeld Derby gewinnt European Festival Award

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren

Also wieder „No Future“ wie im frühen Punk?

Rosen: Ich würde nicht von Hoffnungslosigkeit sprechen. Aber es gibt dieses Gefühl, dass alles nicht ganz so gut läuft, wie es laufen sollte. Es herrscht schon eine ähnliche Stimmung wie damals zu der Zeit, wie Sie beschrieben haben.

Fühlt man sich durch so einen fulminant gefeierten Festivalauftritt und viele Gleichgesinnte im Programm bestätigt, dass man den Nerv der Musik trifft?

Rosen: Nicht unbedingt bestätigt, aber man fühlt sich dann schon irgendwie zugehörig. Luis Ake war sogar auf derselben Schule wie ich. Und Drangsals Musik hat mich begleitet. Man fühlt sich dann eher gut aufgehoben mit Leuten aus derselben Ecke, die die gleichen musikalischen Interessen haben, nur dass sie sie verschieden verpacken. Aber die Einflüsse sind ziemlich ähnlich. Das ist schon ein cooles Gefühl, wenn man weiß: Irgendwie ist man nicht alleine und es gibt Leute, die dieselben Interessen, Vorbilder und Idole haben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Mit welchem Gefühl kehren Sie zum Maifeld Derby zurück – dieses Mal mit Ihrem Namen in Großbuchstaben als Headliner?

Rosen: Es ist ein schöner Kreis, der sich schließt. Aber auch verbunden mit der Erwartung, dass es eine Show gibt, auf die sich die Leute freuen. Dieser Erwartung sollte es gerecht werden. Früher hatte ich ja nicht viel Musik draußen, Es ist nach und nach mehr gekommen. Ich bin immer noch sehr langsam, was das Schreiben angeht. Aber ich freue mich sehr, dass mir die Bühne geboten wird und ich zu einer guten Zeit spielen darf.

  • Edwin Rosen wurde im August 1998 in Stuttgart geboren und begann nach dem Abitur ein Lehramtsstudium (Philosophie, Englisch). 2020 erschien sein erster Song „leichter//kälter“.
  • Inzwischen hat er neun eigene Lieder, einen Remix sowie zwei Coversongs digital und teilweise auf Vinyl veröffentlicht (erhältlich unter edwinrosen.de/products und in ausgewählten Plattenläden).
  • Der Indie-Pop-Songwriter spielt am Freitag, 31. Mai, 21 Uhr, am Auftakttag des Maifeld Derbys im Palastzelt auf dem Mannheimer Maimarktgelände. Zeitplan und Karten: maifeld-derby.de

     

Tatsächlich haben Sie seit 2020 zwölf Tracks digital und teilweise auf Vinyl veröffentlicht. Viele Künstler Ihrer Generation denken nur noch in einzelnen Liedern, nicht an Alben – Sie auch?

Rosen (lacht): Ja. Es ist so, dass ich quasi nicht unbedingt an ein Album denke. Aber nicht, weil ich sage, das Medium hat ausgedient. Sondern eher, weil ich weiß, wie schwer es mir fällt, Musik fertig zu bekommen. Das würde mir wie eine Endlosaufgabe erscheinen, wenn ich mir ein Album mir vornehmen würde. Das vertage ich also so ein bisschen, bis ich genug Musik veröffentlicht habe, dass ich sagen kann: „Okay, jetzt kann mal zwei Jahre gar nichts passieren, und ich fokussiere mich nur darauf, ein Album zu produzieren. Jetzt würde ich mich dabei total verrennen, den Kopf in den Sand stecken und nichts davon rausbringen, weil ich mir selbst zu viel Druck in der Situation machen würde.

Sie haben noch drei weitere Shows in Mannheim gespielt. Wie hat sich die Resonanz entwickelt – die Latte lag ja sehr hoch?

Rosen: Also es ist schon so, dass es irgendwie trotz allem noch krasser geworden ist. Aber das hört ja irgendwann auf. Man kann es nicht ins Unermessliche steigern, aber auf dem Das-Ding-Festival 2023 beim Zeltfestival war es tatsächlich super, super krass. In einem Zelt kommt einem alles immer lauter vor, weil Musik und Reaktionen zurückschalten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Ihre Musik klingt vordergründig sehr kühl, die Texte sind gelinde gesagt melancholisch wie Joy Division, The Cure oder New Order – spiegelt sich darin Ihre Persönlichkeit, verarbeiten Sie so die vorhin beschriebene Weltuntergangsstimmung oder mögen Sie einfach diesen lakonischen Sound?

Rosen: Ich würde überhaupt nicht sagen, dass es mein Wesen widerspiegelt. Ich sehe die Dinge eher optimistisch. Aber es gibt eben doch Momente, wo sich so eine Stimmung doch breitmacht. Da war Musik immer für mich so ein sehr schönes Mittel, das zu verpacken. Aber zum Beispiel The Cure: Die werden ja immer als sehr, sehr düster beschrieben. Aber ich finde, man kann in ihrer Musik auch viel Hoffnung finden. Es gibt ja so einen Unterschied zwischen wirklich düsterer Melancholie, die fast in eine Ausweglosigkeit führt und so eine Art bestätigende Melancholie. Die einfach nur aussagt: Es ist okay, dass man so empfindet. Da gibt es etwas Schönes darin und das war immer etwas, was ich mit in meiner Musik auch ausdrücken wollte. Es gab dann Momente, wo es bei mir eher so zuging, wie es in der Musik klang. Aber es ist halt nie so, dass der Schlusspunkt ist: „Jetzt ist immer alles düster und ausweglos.“ Zumal sich die Themen auch verändern.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke