Unklare Gebilde fliegen durch den Raum, nicht näher zu definierende Farbkörper stehen im dunklen Garten, erkennbar durch die Scheibe, oder karierte Stoffteile kleben an der Wand. Sehr rätselhaft und ästhetisch schön, kategorial schwankend zwischen Malfläche und Objekt oder Körper. Was soll uns das sagen, können wir verstehen, was hier geschieht? Diese und andere Fragen wollen wir dem Künstler Jordan Madlon stellen, dessen Arbeiten noch bis 15. Januar im Heidelberger Kunstverein zu sehen sind – und Teil der Schau „Diamonds are forever“ im Mannheimer Port25 (bis 29.).
Künstlerisch derzeit ansässig im Atelierhaus Altes Güteramt im Ha-fen, in dem ja immer mehr Kunst-schaffende eine Bleibe gefunden haben, zumindest sicher bis Ende 2023. Ein junger, intellektueller Künstler aus Guadeloupe, dem französischen Inselarchipel in der Karibik, begrüßt die neugierige Besucherin und klärt (fast) alles auf.
Zunächst ein bisschen biografischer Hintergrund: Jordan Madlon wurde 1989 auf Guadeloupe geboren, das er aber verließ, weil er Kunst studieren wollte – und dazu musste er einen Studienplatz finden, entweder in Frankreich oder in den USA. Er entschied sich für Saint-Étienne, eine mittelgroße Stadt, etwa 70 Kilometer südwestlich von Lyon. Saint-Étienne ist eine Arbeiterstadt, viele Einwanderer aus Algerien, Marokko, Kamerun leben dort, aber auch aus der Türkei. Madlon studierte dort sechs Jahre, kam dann mit einem Erasmus-Stipendium 2011/2012 an die Akademie in Karlsruhe und zu Leni Hoffmann. Er studierte in Freiburg in der Außenstelle der Akademie weiter, wo er auch Maximilian Martinez und Stefan Wäldele kennenlernte, die beide heute auch in Mannheim leben.
Grundsätzlich, merkt der junge Künstler an, sei das deutsche Kunststudium weniger offen als in Frankreich: Dort war es für ihn etwa selbstverständlich, sich während des Studiums mit Film zu beschäftigten, es gebe eher unterschiedlichere Ansprechpartner als in Deutschland, und das studentische Leben fand er offener und freier. Bei Helmut Dorner studierte er weiter, wie Leni Hoffmann ein abstrakter Künstler mit gutem Ruf, „der immer noch wichtig ist für die abstrakte Malerei in Deutschland“, so Madlon.
Aber auch Raoul De Keyser (belgischer Künstler, 1930-2012), der sehr lakonisch seinen Weg durch die Abstraktion fand, war Madlon wichtig, wie auch der US-Amerikaner Richard Tuttle (geboren 1941), dessen nonchalanter Umgang mit dem Material ihm gefällt. Tuttle liebt das Material, aber findet es gleichzeitig uninteressant. Aber Madlon sagt auch, dass er damals die Themen Farbe, Licht und Bildkomposition schon beherrschte, für ihn waren die neuen Fragen wichtig, „denn ich will mich ja nicht langweilen“, sagt der Künstler lachend.
Raumobjekte auch als Malfläche
„Heute sind es Raumobjekte, die versuchen malerisch zu sein“, die ihn faszinieren. „Den Bildgegenstand nicht so sehr ernstnehmen, die Mischung muss lebendig bleiben, nicht verbissen. Von welcher Ecke kann ich noch weiter hinein kommen in die Malerei?“, fragt sich der Künstler heute. Es geht immer um den malerischen Prozess, die Erweiterung der Malerei, die Praxis.
Für seine Formensprache ist typisch, dass es keine rechten Winkel gibt und dass er gerne Stoff direkt auf der Wand befestigt, nicht in Rahmen zwängt. Dazu passt auch das Kunstwerk, das die Autorin schon 2018 auf Franklin sah, ohne zu wissen, von wem es stammt: Eine sehr ungewöhnliche Kombination aus verschiedenen, flachen Gegenständen in unterschiedlichen Farben, die sehr rätselhaft und poetisch wirken, darunter ein kleiner Buchstabe „m“, und einfach an einem großen Nagel hängen und zu schweben scheinen . . .
Sehr empfehlenswert zum Verständnis der Kunst von Jordan Madlon ist die kostenlose Begleitbroschüre im Heidelberger Kunstverein, die zu der Ausstellung entstanden ist (auch online).
Von Guadeloupe über Frankreich nach Deutschland
Lebensdaten: Jordan Madlon wurde 1989 in Les Abymes, Guadeloupe, geboren. Er lebt und arbeitet heute in Mannheim. Madlon vertritt mit Valentina Jaffé die Bildende Kunst im Rat für Kunst und Kultur in Mannheim.
Studium: École Supérieure d’Art et de Design de Saint-Étienne (F, Abschluss 2014) und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe (2014-2016).
Stipendien und Preise: 2019 Artistes en Résidence, Clermont-Ferrand (F), 2019 Stipendium Kunststiftung Baden-Württemberg, 2017 Kunstart award, Fondation Francçois Schneider, Wattwiller (F).
Ausstellungen (Auswahl): Kunstverein Reutlingen, 2022; zig zag, Kunstverein Bad Dürkheim 2022; Glose, Goeben, Berlin 2021; Diagrammatisch, Kunstmuseum Reutlingen, Spendhaus 2021; Après l’école: biennale artpress, Musée d’art moderne et contemporain de Saint-Étienne Métropole (F) 2020 u.a.
Die Ausstellung im Heidelberger Kunstverein ist noch bis 15. Januar 2023 zu sehen (hdkv.de), mehrere Arbeiten von Jordan Madlon sind zudem im Port25 in Mannheim bis 29. Januar ausgestellt (port25-mannheim.de). kaepp
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