Mannheim. „Grandios“ lobt er und „gigantisch“, aber Kulturbürgermeister Michael Grötsch ist mit diesem Lob nicht allein. Wer das Probebühnenzentrum Neckarau des Nationaltheaters von früher kennt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der in den 1950er Jahren für die Rheinische Gummi und Celluloid Fabrik („Schildkröt“-Fabrik) errichtete und in den 1990er Jahren vom Nationaltheater übernommene Bau in der Eisenbahnstraße ist weitgehend saniert und erweitert worden – so termingerecht, dass dort seit September geprobt werden kann.
„Wir mussten das ja hier fertigstellen, um überhaupt mit der Generalsanierung beginnen zu können“, erläutert Tilmann Pröllochs, der Geschäftsführende Intendant. Ehe am Goetheplatz tatsächlich gebaut wird, läuft dort derzeit der Auszug. Maskenbildner sowie ein Teil der Werkstätten, etwa für Requisiten, sind ebenso nach Neckarau gezogen wie die Probebühnen sowie bisher im Spielhaus untergebrachte Büros.
Zwar sieht man noch da und dort Handwerker, und das Dach für die neue Eingangstür fehlt – wegen der derzeit üblichen Lieferschwierigkeiten. Aber sehr markant ist das neue, an das Gebäude angebaute Fluchttreppenhaus sowie der neue Außenaufzug, der sowohl als Lastenaufzug als auch für die – bisher nicht mögliche – barrierefreie Erschließung dient. Da die Grundstücksgrenze aber genau auf der Außenmauer liegt, musste mit dem Nachbarn zunächst eine Gestattungsvereinbarung für diese beiden Anbauten und eine Laderampe getroffen werden.
Im Innern sei „nichts mehr wie vorher“, sagt einerseits Marco Spies von der Geschäftsstelle Generalsanierung bei der Besichtigung mit dem Kulturbürgermeister. Doch das bezieht sich in erster Linie auf Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektroinstallationen. Neu gemacht habe man „nur, was für Funktion oder Sicherheit wichtig ist“, betont er, denn gerade bei Brandschutz und Arbeitssicherheit gab es in dem Gebäude große Defizite. Teilweise sei die Gebäudesubstanz schon „sehr, sehr schwach“ gewesen, so Spies. Zwar erhielten alle Innenwände einen neuen, weißen Anstrich, aber sonst wurde nur saniert, was erforderlich war. An der einen oder anderen Stelle entschuldigt sich Spies daher, es sei halt „noch sehr rustikal“.
Kosten „weitgehend im Rahmen“
Der Aufenthaltsraum – ausgelegt für bis zu 50 Personen – besteht etwa aus zusammengestückelten Stühlen und Tischen sowie ein paar Getränke- und Snackautomaten. Eine Kantine gibt es nicht, denn die Mitarbeiterverpflegung soll erst im Zuge des Gastronomiekonzepts für die – ja noch nicht fertigen – Ersatzspielstätten geregelt werden.
Dabei wird das Gebäude in Neckarau nun viel mehr genutzt als bisher. Während hier zuletzt hauptsächlich Schauspielproben stattfanden, sind nun einige Mitarbeiter mit ihren Büros und Werkstätten für die Zeit der Generalsanierung komplett hierher verlagert worden. Hinzu kommen außer Probebühnen ein temporär geschaffener Probesaal für das Orchester und ein vorübergehender Probesaal für den Chor – beides sonst am Goetheplatz.
Man habe das alte „Schildkröt“-Gebäude dazu „aufgeblasen“, sagt Spies salopp, sprich durch Umbauten jede Raumreserve genutzt. Bis zum Abschluss der Generalsanierung sei hier nun „richtig voll“, obwohl das Schauspiel das Feld der Oper überlassen und einstweilen Probebühnen in Käfertal (ehemaliges Alstom-Areal) angemietet hat. Damit Oper, Orchester und Chor in Neckarau proben können, waren zudem hohe technische Anforderungen zu erfüllen. „Für Musikinstrumente braucht man stabile Temperaturen und Raumluftfeuchte“, erläutert Spies, was eine neue, große Lüftungsanlage erforderlich machte. Zudem war den Künstlern enorm wichtig, dass sie parallel etwas einstudieren können – doch dazu müssen die Räume schalldicht sein. „Boden, Wand und Decke bilden daher bei den Stimmzimmern eine eigene Schale, damit sich die akustischen Schwingungen nicht weiter im Gebäude verbreiten können“, erklärt Spies. Probebühnen, Orchester- und Chorsaal wurden ebenso eigens eingehaust. Das sei „technisch recht aufwendig“, so Spies – und wer an ein Fenster tritt und sieht, dass die Wände bis zu 80 Zentimeter dick sind, der hat dafür den Beleg. Aber hier finden die Musiker nun hervorragende Arbeitsbedingungen vor – viel besser auch als im viel zu engen Probesaal am Goetheplatz.
Zwar gab es zunächst für einige Arbeiten – von Aufzügen bis zu Treppengeländern – keine Angebote und mussten Ausschreibungen wiederholt werden. Dennoch seien die Arbeiten rechtzeitig fertig geworden und „Kosten weitestgehend in dem Rahmen geblieben, den wir angenommen haben“, stellte Bürgermeister Grötsch erleichtert fest. Er nannte die beschlossenen 12,5 Millionen Euro. Spies sagte, dass man bei 13,5, vielleicht 14 Millionen Euro landen werde, „je nachdem, wie die Endabrechnung erfolgt“. Die Hoffnung, dass sich in den bewilligten Mitteln auch noch eine Fassadensanierung unterbringen lasse, habe sich indes nicht erfüllt. Die sei jedoch in den nächsten Jahren fällig.
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