Bad Berzabern. Das südpfälzische Bad Bergzabern ist vor allem wegen seines Thermalbads bekannt. Die historische Bedeutung der Stadt sowie ihre Baudenkmäler spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Schade, denn es gibt einiges zu sehen.
1286 erhielt Bergzabern (Bad erst seit 1963) die Stadtrechte und damit auch das Recht zum Bau einer Befestigung. Deren Wehrhaftigkeit wurde in den rund 500 Jahren ihres Bestehens etliche Male auf die Probe gestellt. So belagerten kurpfälzische Truppen 1455 die Stadt, die Ludwig I. von Zweibrücken gehörte. Vier Wochen lang wehrten sich die Verteidiger, wobei die 1100 Meter lange und sechs Meter hohe Stadtmauer massive Schäden erlitt. Dann mussten sie kapitulieren. Friedrich I. von der Pfalz hatte wieder einmal seinem Beinamen „der Siegreiche“ Ehre gemacht. Auch im Landshuter Erbfolgekrieg 1504 wurde die Mauer eventuell ramponiert.
1525 standen die aufständischen Bauern vor Bergzabern, zerstörten das Schloss und Teile der Mauern. Ob sich die Bürger ernsthaft zur Wehr setzten, ist zweifelhaft, da viele von ihnen mit den Bauern sympathisierten. Die Obrigkeit bestrafte denn auch nach dem Ende des Aufstands einige Rädelsführer. Ganz schlimm traf es den Pfarrer Johannes Rebmann: Er wurde geblendet und kam erst 1528 „mit ausgerissenen Augen“ nach Bergzabern zurück. 1527 leisteten Bauern beim Wiederaufbau der Mauer Fronarbeit.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) musste die Stadt mehrmals Besetzungen mit Plünderungen und Zerstörungen hinnehmen. Dass die Bürger ihrer Befestigung wenig zutrauten, zeigt die Tatsache, dass sie 1622 in die Wälder flüchteten. Kaum hatte sich die Stadt halbwegs von dieser Katastrophe erholt, fielen 1676 Franzosen ein, zerstörten rund 40 Gebäude, beschädigten das Schloss und zwangen die Bürger, Breschen in die Stadtmauer zu schlagen, um diese unbrauchbar zu machen. 1793 kämpften französische Revolutionstruppen und österreichische Soldaten um Bergzabern, wobei die Stadttore eingeschossen wurden.
An Privatleute verkauft
Diese Ereignisse belegten endgültig die Nutzlosigkeit der hoffnungslos veralteten Befestigung. Im frühen 19. Jahrhundert wurde die Mauer denn auch stückweise an Privatleute verkauft, zwei Türme sowie die beiden Tore abgerissen. Dies geschah damals in vielen Städten, doch in Bergzabern integrierte man große Teile der Mauern in Gebäude, womit sie erhalten blieben.
Dass der Bekanntheitsgrad der Stadtbefestigung gering ist, kann Rolf Übel nicht nachvollziehen. Der Fachmann für Burgen und Festungen arbeitete viele Jahre als Archivar der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern, die im Schloss residiert. „Wer sich in der Pfalz Wehrtechnik ansehen will, sollte zuerst nach Freinsheim gehen. Dann kommt aber schon bald Bad Bergzabern, weil 60 bis 70 Prozent der Mauer, drei Türme sowie das Schloss als Zitadelle erhalten sind,“ sagt er.
Auch Stefan Ulrich, Denkmalpfleger der Stadt Neustadt, hebt die Bedeutung der Stadtbefestigung hervor, „die in dieser Ausprägung in der Pfalz nur selten anzutreffen ist und noch seltener ‘überboten’ wird.“
Um diese Rarität besser ins Licht zu rücken, hat die Stadt 2019 einen Stadtmauerrundweg etabliert. Ausgangspunkt ist der große Parkplatz am Schloss. Von dort geht es durch die Torgasse zum Storchenturm. Er entstand mit der Stadtmauer im späten 13. Jahrhundert und wurde vermutlich nach 1525 aufgestockt. Weiter geht es auf der Straße „Auf dem Damm“. Rolf Übel deutet auf die Gebäude der Neugasse: „Die Mauer ist in Häuser und Scheunen verbaut, aber noch nachvollziehbar.“
Als nächstes Ziel folgt der allein stehende Kirchturm, der den Historikern nach wie vor Rätsel aufgibt. Übel: „Ich vermute, dass der untere Stock Teil eines befestigten Hofs des Klosters Klingenmünster war.“ Erst nach dessen Verlegung habe man den Turm im späten 15. Jahrhundert zum Kirchturm erhöht.
Ausgrabungen lösen Rätsel
Gegen einen Bau als Stadtmauerturm spricht seines Erachtens, dass er nicht in die Stadtmauer integriert war. Stefan Ulrich datiert den Turmsockel in das zweite oder dritte Viertel des 13. Jahrhunderts, also vor die Errichtung der Stadtmauer. Dass er Bestandteil des erwähnten Hofguts war, will der Denkmalpfleger nicht ausschließen. Da der ursprüngliche Eingang im zweiten Geschoss gelegen habe, hält er auch die Funktion als Hauptturm einer Burg für möglich, eventuell ein Vorgängerbau des heutigen Schlosses.
Ein Rätsel, das wohl nur Ausgrabungen lösen können. Dass der Turm im frühen 14. Jahrhundert als Teil der Stadtbefestigung fungierte, hält Ulrich für sehr wahrscheinlich. Unweit davon steht der runde Schabsturm etwas versteckt in der Bebauung. Ulrich datiert die ältesten Teile ins 15. oder frühe 16. Jahrhundert, die jüngeren nach dem archivalisch belegten Einsturz von 1726. Er schreibt von einer „bescheidenen Schutz- und Wehrfunktion“ des Turms, die lediglich „umherziehende Banden“ abschrecken konnte.
Am ehemaligen Standort des oberen Tors vorbei geht es zur Augspurger Mühle. Dort wurde das Wasser des Erlenbachs in den doppelten Graben geleitet, der die Stadt umgab. Hier steht eine der elf hervorragenden Informationstafeln, die dem Besucher die Stadtmauer erläutert. „Es ist ein selbst erklärender Rundgang“, erläutert Rolf Übel.
Die Wassergräben verhinderten ein Unterminieren der Mauern oder das Heranrollen von Belagerungstürmen. Zudem dienten sie den Bürgern als Fischteiche. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat man die Gräben zugeschüttet.
Nächste Station: der Dicke Turm in der Turmstraße. Buckelquader sind zu erkennen. Also 13. Jahrhundert? Teilweise, meint Ulrich. Der Sockel könnte aus dieser Zeit stammen. Unter anderem anhand der Schießscharten für Gewehre und kleine Geschütze datiert er die oberen Stockwerke auf die Zeit nach der Belagerung von 1455. Hier sind noch Teile des Wehrgangs zu sehen.
In die Wand neben dem Turm hat man eine wohl bei einer Belagerung verschossene Steinkugel eingemauert. Von der Turmstraße führt der Rundgang durch ein kurzes Stück der Luitpoldstraße, rechts in die Obere Berggasse zur Königsstraße und zum Schloss. Es war Teil der Befestigung, aber ein Wassergraben auf der Stadtseite hielt die Bürger auf Distanz. Die Herrschaft traute wohl der Loyalität ihrer Untertanen nicht ganz.
1333 wird eine Burg in Bergzabern erstmals erwähnt. Das heutige Schloss oder eine Vorgängeranlage? Damals gehörte der Wehrbau dem Grafen Walram III. von Zweibrücken, kam 1385 an die Kurpfalz und 1410 an Pfalz-Zweibrücken. 1525 brannten die aufständischen Bauern das Symbol der Herrschaft nieder. Der Wiederaufbau erfolgte in Renaissanceformen. Von der nach wie vor vorhandenen Wehrhaftigkeit zeugen die Schießscharten für leichte Geschütze. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloss ausgeplündert, und noch 1661 befanden sich kaum Möbel in den Räumen. Am 20. Februar 1676 der nächste Schicksalsschlag: Die Franzosen zündeten das Schloss an. Erst 1720 begann der Wiederaufbau der Gebäude, die ab 1728 wieder bewohnbar waren.
Witwensitz der Herzogin
Die Jahre zwischen 1744 und 1774 gelten den Bürgern der Stadt noch heute als glückliche Zeit. Herzogin Karoline von Pfalz-Zweibrücken hatte ihren Witwensitz im Schloss und investierte viel in die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Bergzaberns. Als überzeugter Lutheranerin galt ihre besondere Fürsorge der lutherischen Gemeinde, was ihr den Spottnamen „lutherische Päpstin“ einbrachte. Sie unterstützte den Bau der Bergkirche, in der ihre Mutter und eine Schwester die letzte Ruhe fanden.
Die Herzogin duldete nur Lutheraner in ihrem Hofstaat, und die testamentarisch verfügte Armenfürsorge kam lediglich den „wahren Armen evangelischer Religion“ zugute. Sie ist Stammmutter der Herrscherhäuser Russland, Österreich, Bayern und Preußen. Karoline verstarb mit 69 Jahren am 25. März 1774 in Darmstadt, wohin sie gereist war, um ihre kranke Tochter, die Landgräfin Karoline Henriette, zu besuchen. Ihr Grab fand sie in der Darmstädter Stadtkirche.
So musste sie nicht erleben, wie aufrührerische Bürger nach der Französischen Revolution das Schloss stürmten und vor allem die Wappen an den Portalen zerstörten. Viele Jahre später erfuhr die Herzogin eine hohe Ehrung: 2020 erhielt der Schlossvorplatz den Namen „Herzogin-Karoline-Platz“. Doch zurück ins späte 18. Jahrhundert. 1794 beschlagnahmten die Revolutionäre das Schloss als französisches Nationalgut und versteigerten es an Privatleute. Im 19. Jahrhundert kaufte die Stadt die Gebäude. 1909 brannte das Schloss ab und wurde nach dem Wiederaufbau als Schule benutzt. Nach umfassender Sanierung zog 1984 die Verbandsgemeindeverwaltung ein.
Der Innenhof ist an Wochentagen zugänglich, der spätgotische Treppenturm, einzig sehenswerter Rest der alten Innenarchitektur, kann nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Eine Rarität stellt das auf 1579 datierte Riesenportal dar, benannt nach den beiden Atlanten. Ein befestigtes Schloss findet sich selten, erklärt Rolf Übel. Als räumlich nächstes Beispiel nennt er Heidelberg.
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