Jetzt für MM+ Abonnenten: Das E-Paper am Sonntag
Für MM+ Abonnenten: Lesen Sie kostenfrei unser E-Paper am Sonntag - mit allem Wichtigen aus Mannheim und der Region, dem aktuellen Sport vom Wochenende sowie interessanten Verbraucher-Tipps und Reportagen. Das Geschehen in Deutschland und der Welt ordnen unsere Korrespondenten für Sie ein.
Hier geht es zum E-Paper - ab dem frühen Sonntagmorgen für Sie verfügbar
Sie haben noch kein MM+ Abo? Dann sichern Sie sich den MM+ Kennenlernmonat
Mannheim. Philipp Weber hat doppelt Grund zur Freude. Alle Welt diskutiert zurzeit über ChatGPT, eine Sprachmaschine, die Künstliche Intelligenz (KI) gerade zum Alltagsgegenstand macht. Und der vielfach ausgezeichnete Amorbacher Kabarettist hat dazu schon seit 2020 das passende Programm: „KI: Künstliche Idioten!“ Nun wurde sein perfektes Timing von der Pandemie ziemlich ausgebremst. Deshalb ist es besonders bemerkenswert, dass Weber damit die Mannheimer Klapsmühl’ am Freitagabend bis auf den letzten Platz füllt – was immer noch keine Selbstverständlichkeit ist.
Philipp Weber: gelernter Biologie-Lehrer
Aber das Energiebündel Weber springt nicht nur deshalb wie ein euphorisierter Flummi auf die Bühne. Hyperaktiv ist so etwas wie der Ruhemodus seiner Bühnenfigur. Der 48-Jährige hirscht so aufgedreht durch die Klapsmühl’ und nimmt derart intensiv Blickkontakt zu fast allen im Publikum auf, dass man nach zehn Minuten ein paar Milligramm Adalat nachlegen müsste – selbst wenn man gar Blutdrucktabletten braucht. Selbst wenn er an ruhigeren Stellen auf einem Stuhl Platz nimmt, rutscht er halt mit und auf ihm hin und her.
Das mag etwas anstrengend wirken, ist aber auf Strecke wohltuend anregend – genau dafür geht man doch in ein Theater! Also: Schön, dass Weber herumtanzt wie ein Odenwälder Derwisch und regelmäßig Geräusche ausstößt wie Hui Buh, das Schlossgespenst. Leider können wohl nur Waldorfschüler entschlüsseln, welche geheimen Botschaften er dabei choreographisch übermittelt.
Egal, denn die die expliziten Messages des gelernten Biologie- und Chemie-Lehrers sind absolut ausreichend für einen exzellenten Kabarettabend. Zum einen, weil Weber in zwei Stunden doppelt so viel Text ventiliert wie der Otto-Normal-Kabarettist – also ungefähr fünfmal so viel wie sein Odenwälder Kollege Rolf Miller (was das wohl für ein Live-Duo ergäbe?). Zum zweiten sind seine Texte nicht nur witzig, sondern auch klug, gut recherchiert und bildungsbürgerlich hübsch aufgeladen.
Kurzer Weg vom Penis-Witz zu Kant
Der Weg vom Penis-Witz zur Kant-Exegese kann hier kürzer sein als ein KI-Kondom. Kants Frage „Wandelt sich die Menschheit durch bestetiges Fortschreiten zum Besseren?“ ist der rote Faden – nach den letzten Jahren muss man sie nur in den Raum stellen und etwas warten, um „mütendes“ Lachen zu ernten. Dazu kommen die „Fünf Weberschen Gesetze“ aus eigener Fabrikation. Etwa: Fortschritt ist nicht gut oder schlecht, sondern neutral. Oder: Aus Können wird oft müssen – wie in „per Handy erreichbar sein können oder müssen“.
Ein Großteil der Show ist eine Auseinandersetzung mit Webers Freund Konrad, einem Transhumanisten, der alle Mittel nutzen möchte, um sich und den Menschen überhaupt zu optimieren. Weber ist kein Fortschrittsfeind und offen für Chancen. Er erlaubt sich aber Hinweise wie „Was nützt KI, wenn die natürliche Intelligenz fehlt, sie gescheit zu nutzen?“ Und natürlich gibt es auch Probleme, nicht nur ethische. Zum Beispiel: Wie schon Marx anmerkte, gehören die Maschinen, mit denen Geld gescheffelt wird, nicht allen. Amazon zahle nicht mal Steuern, dafür hätten wir die Kassenbonpflicht.
Humor ist für Weber mysteriös
Weber hat keine Angst vor Veränderung– und plädiert für Kunst als Hauptfach. Denn wo sei der Mensch nicht so schnell durch KI ersetzbar: echte Kreativität. Chat-Roboter wie ChatGPT seien tolle Maschinen, aber keine Konkurrenz. Ihr fundamentales Problem: „Sie wissen nicht, was sie tut und warum.“ Seine tröstlichste Botschaft: Letztlich sind die Defizite auch unsere Stärken – etwa der Tod, der auch als Antrieb funktioniert. Und vieles am Leben, wie der Humor, sei für uns selbst mysteriös – wie soll man es einer KI beibringen. Der Abend endet mit dem letzten Weberschen Gesetz fast appellativ: „Der Fortschritt kann die Träume des Menschen erfüllen. Drum träume, Mensch! Aber pass auf, was!“ Ein toller Kabarettabend.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/leben/erleben_artikel,-erleben-philipp-weber-erklaert-in-mannheim-was-der-mensch-besser-kann-als-ki-_arid,2047579.html