Gastronomie

Café Klatsch - die Geschichte Mannheims ältester Gay-Bar

Einst abgedunkelt und mit Klingel, heute mit Außenterrasse und offenen Fenstern: Café Klatsch-Inhaber Stefan Deissler und Partner Mathias Holland-Cunz erzählen von Mannheims ältester Gay-Bar und was sie so besonders macht

Von 
Helena Vollbrecht
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Das Café Klatsch in Mannheim gibt es nun seit 34 Jahren: aber so hell und offen sah es nicht immer aus © Helena Vollbrecht

Mannheim. Weiße Bierbänke und -tische stehen mit kleinen Pflanzen dekoriert vor Mannheims ältester Gay-Bar direkt am alten Nationaltheater Mannheim. Vor dem Café, auf dessen Glasfront in verschnörkelter Schrift „Café Klatsch“ steht, stehen Korbstühle mit Aperol-Kissen, vor der Sonne durch orangene Markisen geschützt. Der Baustellenlärm dringt von der Großbaustelle am NTM zwar durch die weißen Stoffbanner, die die Sicht von der Außenterrasse zur Straße begrenzt, trotzdem ist es draußen gemütlich. Immer wieder laufen Menschen vorbei und grüßen freundlich. Stefan Deissler und sein Partner Mathias Holland-Cunz kennen sie alle und grüßen, oft mit Namen, zurück.

Die weißen Stoffbanner des Außenbereichs hängen erst seit der Großbaustelle am Nationaltheater. © Helena Vollbrecht

Dass sie  draußen sitzen können, war nicht immer so. 34 Jahre ist es her, dass Stefan „Stoffel“ das Café Klatsch übernommen hat – das früher „Leierkasten“ hieß. Damals wäre es nicht vorstellbar gewesen, draußen zu sitzen. Was heute offen, hell und einladend wirkt, war in den Neunzigern noch ein abgedunkelter Laden mit verbarrikadierten Fenstern. Sich sichtbar machen? Fehlanzeige. Zu jener Zeit hatten Anwohner noch gelästert und vorurteilsbelastete Gerüchte über die Bar verbreitet. Stefan war der Erste, der die Gay-Bar auch optisch zugänglich für alle machte.

Nach einem Besitzerwechsel übernahm Stefan Deissler die Bar

In einer Kleinstadt wie Worms, da kommt er her, wäre eine solche Bar undenkbar gewesen. Wegen der Szene ist er nach Mannheim gekommen und geblieben. „Eigentlich wollte ich immer ins Ausland“, sagt er. Aber wie das Leben eben so spielt, ist er dann in Mannheim hängen geblieben. Ein Besitzerwechsel gab ihm die Idee, sein Glück in der Gastronomie zu versuchen. Am 12. April 1990, einem Gründonnerstag, öffnet die Bar dann das erste Mal als „Café Klatsch“ seine Tore. An das Datum erinnert sich Stefan noch ganz genau.

Stefan Deissler und Mathias Holland-Cunz sind fast schon so lange verpartnert, wie es das Café Klatsch gibt © Stefan Deissler

Anfangs wollte er lieber im Hintergrund bleiben, sein Coming-out war noch nicht besonders lang her. Ein Stellvertreter, der in der Szene bekannt war, übernahm das Geschäft nach Außen hin. Aber relativ bald kristallisierte sich Stefans Begeisterung für die Bar und er übernahm das Geschäft vollkommen.

Was sich in 34 Jahren im Klatsch alles verändert hat

Ab da standen das erst mal Tische und Stühle vor dem Café. „Das war gar nicht so einfach, dass sich die Leute da überhaupt hingesetzt haben“ erinnert sich Stefan. Still und heimlich sind die meisten in das Café gehuscht. „Das kann man sich heute gar nicht mehr unbedingt vorstellen, aber das war so in dieser Zeit“, fügt er hinzu. Zur Zeit des „Leierkastens“, also bevor Stefan das Café führte, gab es sogar noch eine Klingel, so ängstlich waren einige.

Stefan musste sich mit Leuten herumschlagen, die schlecht über "das Klatsch" redeten und alles andere als offen waren: „Wenn man mal eine Pride-Flagge aufgehängt hat, haben die gesagt, dass man es ja nicht so raushängen lassen muss“.

Das Café Klatsch ist eine Art Ersatzfamilie
Mathias Holland-Cunz

Heute ist das anders. Viele der Anwohner sind sehr froh um die Gäste, die das Café anzieht. Über die Jahre, finden Stefan und Mathias, ist die Gesellschaft wesentlich offener geworden. Das merkt man auch am Klientel im Klatsch: mittlerweile fühlen sich auch viele nicht-queere Personen wohl im Café. Berührungsängste gibt es, zumindest in der Form wie es früher war, nicht mehr, finden Stefan und Mathias. Dafür gibt es viel mehr Akzeptanz. Und wer sich im Klatsch nicht an die ungeschriebenen Regeln hält, wird rausgeschmissen.  

So viele Vorteile hat die Lage am NTM

Trotzdem ist auch heute die etwas verstecktere Lage von Mannheims ältestem Schwulen-Café noch ganz gut, erzählt er. Aus Versehen verirrt man sich hier in der Regel nicht hin. Andere Gay-Bars wie etwa das XS, das zentraler in der Innenstadt lag und lange von Mathias bewirtschaftet wurde, hatten wesentlich mehr mit Anfeindungen zu kämpfen. Und trotzdem kommt man von hier aus noch gut zu Fuß zum Bahnhof: „Früher gab es noch kein Grindr oder Tinder, da haben sich die Leute in der Kneipe oder im Park getroffen. Das war alles in Lauf-Nähe“ fügt Mathias hinzu und spielt damit auf Dating- Apps an, die heutzutage viel genutzt werden.

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Alle konnten sich hier her trauen, denn wer ins Klatsch kam, war absichtlich da. „Der Bankdirektor, der leitende Angestellte oder der Oberarzt konnte sich relativ sicher sein, dass jemand der hierher kommt sich nicht verirrt hat, sondern gezielt da war“ sagt Mathias, der fast so lange, wie es das Klatsch schon gibt, mit Stefan zusammen ist, über die günstige Lage. Und auch die gute Anbindung an Heidelberg war klar von Vorteil: amerikanische Soldaten hatten damals ihr Headquarter in Heidelberg und kamen für die Bar extra nach Mannheim.

Wie das Café Klatsch dem Szenesterben in Mannheim entgegen wirkt

Das Klatsch hat schon immer von Mannheim als Sammelbecken für Zugezogene profitiert. Das Szenesterben, erläutert Mathias, hat einige größere Städte teilweise mehr getroffen als Mannheim. Neben Zugezogenen, die die Szene in Mannheim stark bereichern, gab es hier immer viele Angebote, an denen das Klatsch häufig mitgewirkt hat. Ob beim CSD, mit dem Gaywerk oder beim Regebogenfest: das Klatsch ist immer präsent und hilft häufig sogar ehrenamtlich mit.  Die Angebote wurden durch die Zusammenarbeit mit der Gastronomie wirtschaftlich überlebensfähiger.

So war das nicht immer: Gäste sitzen vor dem Café Klatsch. © Helena Vollbrecht

Die Nähe zum Theater macht das Klatsch laut Stefan außerdem zu einer Künstlerkneipe. Viele der Schauspieler kommen seit langem hier her und sind wichtiger Bestandteil der Gäste. Durch den Umzug des NTMs kommen zwar mittlerweile weniger Darstellende ins Klatsch, die Nähe zur künstlerischen Szene und dem NTM spürt man aber immer noch. So hat das Theater während der aktuellen Bauarbeiten am NTM etwa geholfen, die Deko der Außenterrasse mitzugestalten und hat während der Arbeiten immer wieder das Gespräch mit dem Café gesucht. Eine Gruppe vom NTM hatte zwischendurch das Klatsch sogar als Probebühne verwendet und kleinere Aufführungen dort veranstaltet.

Trauriger Einschnitt im Februar

Solche künstlerischen Veranstaltungen sind im Klatsch generell keine Seltenheit. Legendär der Künstler Alexander Rohr, der in der Rolle als Dolores von Cartier nicht nur im Klatsch für große Auftritte sorgte. Im Winter verstarb Alexander Rohr überraschend und hinterließ eine große Lücke. Aber auch in dieser Zeit war es Café-Klatsch-Inhaber Stefan sehr wichtig, dass die Leute immer kommen konnten. Das Klatsch öffnete trotzdem, so dass alle zusammen trauern und verarbeiten konnten. „Er war die gute Seele im Café Klatsch“ erinnert Mathias an den Künstler und ist gerührt von der großen Anteilnahme. So hatte es etwa auf dem CSD Mannheim eine Schweigeminute für Dolo gegeben.

Café und Bar zugleich: Das Café Klatsch hat einiges zu bieten. © Helena Vollbrecht

Aber nicht nur in schweren Zeiten wird das Café von vielen als Auffangbecken gesehen. „Das Klatsch ist ein Art Ersatzfamilie, manche Leute kommen täglich hier her“ beschreibt Mathias das Café liebevoll. Obwohl seit Corona wesentlich mehr Menschen draußen sitzen und alles offener geworden ist, findet Stefan sein Café als sicheren Raum weiterhin wichtig. „Die Leute wollen trotzdem noch ein bisschen unter sich sein, sonst würde es so einen Laden ja gar nicht mehr geben“ meint er.

Hier geht es um Menschen

Letztlich steht das Café Klatsch aber immer jedem offen. Bei allen Herausforderungen, die Mannheims älteste Schwulen-Bar schon gemeistert hat, ist es immer eine Begegnungsstätte für Menschen geblieben, wo man sich trifft und sich zusammen wohl fühlt. Viele kommen auch einfach wegen den Menschen, die hier arbeiten her, etwa wegen Dolo. Und Stefan „Stoffel“ steht sowieso immer, wenn auch etwas verhalten, irgendwie im Mittelpunkt.  Das war die letzten 34 Jahre so und das soll auch so bleiben. „Im Kern weiß das Klatsch genau, wofür es steht: nämlich weltoffen, tolerant, schwul“ fasst Mathias das Konzept zusammen.

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