Mannheim. Das Contra‘N im Jungbusch hat einen neuen Besitzer: Alexander Doss hat die „Hammer Club-Kneipe am Arsch der Welt“ in der Werftstraße 23 gekauft. Seit Juli 2024 stand die Gaststätte zum Verkauf – unter der Bedingung, das antikapitalistische und antifaschistische Konzept fortzuführen. Bei einem Vor-Ort-Termin mit dem „MM“ sprach Doss über seine Rückkehr nach Mannheim, die Zukunft des neuen Contra und seine Vision für einen neuen Treffpunkt im Jungbusch.
Herr Doss, Sie waren fast 20 Jahre im Ausland – was hat Sie zurück nach Mannheim gebracht?
Alexander Doss: Ich war lange Zeit in Las Vegas, fast zwei Jahrzehnte. Dort habe ich gelebt und gearbeitet – und ich bin von dort gependelt, unter anderem nach Peking. Ich hatte in China ein eigenes Studio und war komplett von Deutschland losgelöst. Aber Amerika hat sich stark verändert, China ebenso. Die Stimmung ist schwieriger geworden, und irgendwann stand für mich die Frage im Raum: Kehre ich zurück nach Deutschland? Zurück in Mannheim stand ich plötzlich im Jungbusch – und war beeindruckt.
Das Contra’N ist für mich mehr als eine Bar. Es ist ein Hub, ein Treffpunkt für Ideen, für Austausch.
Was hat Sie so fasziniert?
Doss: Ich kannte den Jungbusch noch von früher, aus den 80ern. Damals war das Viertel rau, abgerockt, nicht unbedingt ein Ort, durch den man gerne spaziert ist. Aber jetzt? Die Szene ist lebendig, vielfältig, charmant. Dann stand ich plötzlich vor dem Contra’N, einer Bar, die ich noch aus meiner Jugend kannte. Ich habe erfahren, dass sie verkauft werden sollte. Da war für mich klar: Das ist meine Chance.
Sie haben das Contra’N übernommen, obwohl Sie keine Erfahrung in der Gastronomie haben?
Doss: Genau. Ich habe noch nie eine Bar auf der anderen Seite des Tresens betrieben. Aber ich habe weltweit Bühnen und Clubs designt, zuletzt ein riesiges Theaterprojekt in China mit kinetischer Architektur und neuester Medien-Technik. Ich wollte einen unabhängigen, freien Raum, den ich überschauen kann, in dem ich mit anderen kreativ sein kann. Das Contra’N ist für mich mehr als eine Bar. Es ist ein Hub, ein Treffpunkt für Ideen, für Austausch.
Was macht das Contra’N für Sie so besonders?
Doss: Es ist ein Stück Mannheimer Geschichte. Jede Schraube hier wurde irgendwann von jemandem reingedreht, der Teil dieser Geschichte war. Ich möchte das mit dem Contra bewahren und gleichzeitig etwas Neues schaffen. Einen Ort, der offen ist für Ideen, für Musik, für Gespräche. Ich war damals zu den Anfängen des Contra dabei und hatte mich sehr gefreut, den Namen unserer Band auf dem Plakat zur 50 Jahres Feier des Contra’N 2039 zu sehen. Alleine schon deswegen muss es unbedingt erhalten bleiben!
Ich möchte den Spirit erhalten. Das Contra’N war immer ein Bollwerk gegen Faschismus, ein Ort für Diversität, für Akzeptanz und Respekt.
Was ist Ihre Vision für das Contra’N?
Doss: Ich möchte den Spirit erhalten. Das Contra’N war immer ein Bollwerk gegen Faschismus, ein Ort für Diversität, für Akzeptanz und Respekt, für kreative Köpfe. Die Preise sollen niedrig bleiben, die Atmosphäre offen und herzlich. Man kann sich seine Musik weiterhin selbst aussuchen. Es soll auf jeden Fall eine Bühne geben, auf der Musiker sich vor Publikum zeigen können. Und es kann durchaus passieren, dass es richtige, chinesische Karaoke geben wird. Das neue Contra soll ein Raum bleiben, in dem sich Menschen begegnen, austauschen, gemeinsam etwas entwickeln.
Wie sieht das konkret aus?
Doss: Ich habe vieles entkernt. Die alten Memorabilien sind eingelagert, alles kommt wieder rein – aber mit neuen Geschichten. Der Tresen wird verlängert, es gibt eine Runde neue alte Sitzmöbel, der schummrige und unkonventionelle Anspruch der Urheber bleibt erhalten. Das Contra war schon immer ein Raum stetiger Veränderung und ich möchte dies im Sinne seiner Entwicklungsgeschichte weiterführen.
Neuer Besitzer von Kultbar im Jungbusch
- Alexander Doss wurde am 7. Februar 1968 in Heidelberg geboren.
- Er studierte Philosophie und ist als Musiker sowie Videokünstler tätig.
- Im Jahr 1990 gründete er die Firma Oneoverchaos – ein kreatives Projekt zur Gestaltung von Räumen aus Licht, Ton, Performance und Architektur.
- Seit 2006 arbeitet er als Creative Director in Las Vegas , ab 2012 war er zudem als Creative Producer in China aktiv, mit einem Schwerpunkt auf der Medienintegration in kinetischer Architektur und immersiven Erlebnisräumen.
- 2023 kehrte er nach Mannheim zurück, seit 2025 ist er Besitzer des Contra’N . vg
Was haben Sie im Obergeschoss vor?
Doss: Der Red Room wird sexy, eine Hommage an das ehemalige Rotlichtviertel Jungbusch und das Bordell, das in den unheiligen Hallen des Contra’N vor 1989 zur Freude des Hauses beitrug. Ein kleiner Raum für intimes Betrinken und heilloses Anbaggern. Je nachdem, was besser klappt. Die Toiletten und die Hochzeitskapelle sind in der Nähe.
Auch wenn es noch nicht spruchreif ist: Was hat es mit dem „N“ auf sich, das sich aus dem Contra’N herausgeschlichen hat?
Doss: Das „N“ wird eine Art „Speak Easy“ des Contra. Das Kaminzimmer ist über einen separaten Eingang zu erreichen. Hier soll der Fokus auf besonderen Whiskys, Mezcal und Tequilas liegen. Jeder Drink soll eine Geschichte erzählen. Vielleicht steht da eine Flasche, die irgendeinem Rockstar gehört – und wenn er mal vorbeikommt, trinkt er daraus. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik. Die Wände hier oben, die voll mit Plakaten aus den Anfängen des Contra’N sind, werden gerettet.
Das klingt fast wie ein Museum.
Doss: Ja, ein bisschen schon. Ich habe in Las Vegas mit einem Mezcal und Tequila-Experten gearbeitet, in Peking mit einem Japaner, der mir die Welt des japanischen Whiskys nähergebracht hat. Diese Erfahrungen und Geschichten fließen jetzt ins N ein. Es soll ein Ort sein, an dem man nicht nur trinkt, sondern auch etwas erlebt.
Zurück zum Contra: Wann soll es öffnen?
Doss: Geplant ist das für Mitte oder Ende September. Ich bin nicht sicher, ob das so schnell klappt, aber ich habe tolle Leute um mich herum, die helfen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Doss: Ich träume von einem Netzwerk aus gleichgesinnten Bar-Betreibern weltweit – Orte wie das Contra, die sich unterstützen und austauschen. Wenn irgendwo eine Bar in Not ist, hilft man sich. Ich glaube an diese Idee. Und ich glaube an Mannheim. Ich bin zurückgekommen, weil ich hier etwas bewegen will. Das Contra’N ist mein Beitrag dazu.
Ich habe so einiges erlebt, viel gesehen. Aber was mich immer berührt hat, war echte Verbindung.
Sie sprechen oft von Gemeinschaft. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Doss: Ich habe so einiges erlebt, viel gesehen. Aber was mich immer berührt hat, war echte Verbindung. In Peking gab es eine winzige Bar in ehemaligen Toilettenräumen einer Grundschule, in die vielleicht acht Leute gepasst haben – da trafen sich Politiker, Künstler, Musiker. Das war so ein Speak Easy, wo man ein wenig unter sich sein konnte. So etwas möchte ich auch hier schaffen.
Was ist mit Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und sozialen Konzepten?
Doss: Barrierefreiheit ist mir wichtig, aber das Gebäude ist alt. Ich plane einen Rollstuhl-Fahrstuhl, das braucht aber Zeit und Geld. Ich habe drei Investorenphasen definiert – die erste ist geschafft, die zweite läuft. Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein Thema: Ich arbeite ausschließlich mit gebrauchten Möbeln, mit lokalen Handwerkern, mit Menschen aus dem Viertel. Das Contra’N soll ein Ort sein, der mit den Menschen wächst, die ihn besuchen.
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