Der neue Film

Intrigenspiel im Vatikan: Das "Konklave" mit Ralph Fiennes

Gelingt der Transfer vom Buch auf die Leinwand? Oscar-Regisseur Edward Berger bringt mit „Konklave“ einen Bestseller ins Kino. Darin kommt Ralph Fiennes bei der Papstwahl Lügen, Intrigen und Geheimnissen auf die Spur

Von 
Gebhard Hölzl
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Ralph Fiennes kommt als Kardinaldekan Lawrence in „Konklave“ bei der Papstwahl Lügen, Intrigen und Geheimnissen auf die Spur. © Leonine Studios/ Focus Features/dpa

Die Qualität einer literarischen Vorlage sagt nichts über die Güteklasse einer etwaigen Verfilmung aus. Viele Kino- und Fernsehadaptionen verkürzen - meist schlichtweg aus Gründen der zumutbaren Laufzeit sowie der Produktionskosten - das Handlungsgerüst der Vorlagen, setzen auf plakative Bilder und reduzieren die Anzahl der Personen. Dialoge und innere Monologe lassen sich schwer übernehmen. Noch komplizierter wird es, wenn die Gefühle und Gedanken der Figuren sichtbar gemacht werden sollen.

"Konklave" im Kino: Gelingt der Transfer vom Buch auf die Leinwand?

Doch keine Regel ohne Ausnahme. Entscheidend, ob der Transfer vom Buch auf die Leinwand als gelungen oder misslungen gewertet wird, ist der individuelle Blick auf Inhalt und Form. Wird der Zuschauer des Films beim Schauen ebenso abgeholt wie bei der Lektüre des zu Grunde liegenden Stoffes? Fühlt er sich angesprochen? Das gilt freilich genauso für das Buch und den Leseprozess. Letztendlich ist es eine Frage des Geschmacks und der persönlichen Vorlieben.

Doch es gibt Autoren, die mit fast traumwandlerischer Sicherheit Schablonen für Blockbuster oder Arthouse-Hits liefern. Wie etwa Dan Brown und seine „Da Vinci Code“-Reihe. Oder die Krimis von Patricia Highsmith, darunter „Der Fremde im Zug“ (Alfred Hitchcock, 1951) und „Ediths Tagebuch“ (Hans W. Geißendörfer, 1984). Dieser Kategorie muss auch Robert Harris zugerechnet werden. Seine Bestseller „Der Ghostwriter“ (2010) und „Intrige“ (2019) hat er als Drehbuchautor mit Roman Polanski aufbereitet.

Nun steht eine weitere Verfilmung eines seiner bevorzugt in der (historischen) Realität verwurzelten Werke an: vom Roman „Konklave“, erschienen 2016. Edward Berger, Oscar-nominiert für sein Skript zu „Im Westen nichts Neues“, hat - mit Peter Straughan („Dame, König, As, Spion“) als vorzüglichem Autor - die Regie übernommen.

Ein Mysterientheater, musikalisch perfekt untermalt

Wie der Titel bereits verrät, geht es in den Vatikan. Der Heilige Vater ist unerwartet gestorben. Kardinaldekan Lawrence (Ralph Fiennes) ist mit der Aufgabe betraut, die Wahl des neuen Pontifex zu leiten. Kardinäle von rund um den Globus reisen nach Rom. Als sich die Türen zur Sixtinischen Kapelle schließen, entbrennt ein Ringen um die Macht. Lawrence findet sich im Zentrum von Intrigen, Lügen und Korruption wieder - und kommt dabei einem Geheimnis auf die Spur, das die Grundfeste des Glaubens erschüttern könnte.

Den „sede vacante“, den „freien Sitz“, gilt es so schnell und geräuschlos wie möglich zu füllen, aus 108 Kardinälen zu wählen. Einige haben sich schon in Stellung gebracht, darunter der erzkonservative Italiener Tedesco (Sergio Castellitto), der intrigante, gut vernetzte Tremblay (John Lithgow) und der Schwarzafrikaner Adeyemi (Lucian Msamati). Chancen dürfen sich auch Lawrence selbst und der progressive Amerikaner Bellini (Stanley Tucci) ausrechnen. Schließlich ist da noch der Außenseiter Kardinal Benitez (Carlos Diehz), den das Kirchenoberhaupt kurz vor dem Tod zu seinem Vertreter in Kabul ernannt hat.

Ein Thriller, der sich hinter verschlossenen Türen in einem erlesenen, kalten Ambiente abspielt. Sorgfältig werden die vermeintlich untadeligen Diener Gottes eingeführt, allesamt ideal besetzt, unter ihnen in einer kleinen Rolle der heimische Bühnenstar Thomas Loibl. Jeder hat, wie man das von Agatha Christie kennt, etwas zu verbergen, jeder die sprichwörtliche Leiche im Keller. Gedämpft ist der Ton, leise wird gesprochen, eher gemurmelt. Und der Plot schlägt überraschende Volten.

Ralph Fiennes

  • Zwei Mal wurde Ralph Fiennes für einen Oscar nominiert - als sadistischer Lageraufseher in „Schindlers Liste“ und als „englischer Patient“; zudem bestach er etwa als „ewiger Gärnter“ der John-le-Carré-Adaption oder als Harry Potters Nemesis Lord Voldemort.
  • In Durchschnittsproduktionen wie „Oscar und Lucinda“ vergeudet er sein Talent, nur um dann wieder zu brillieren - etwa mit der Dreifachrolle in „Sunshine - Ein Hauch von Sonnenschein, die ihm 1999 den Europäischen Filmpreis einbrachte.
  • Seine Affinität zur Bühne bewies der Grübler mit seiner Kinoregie „Coriolanus“ (2010), sein „Hamlet“ brachte ihm den Tony Award ein. geh

Ein Mysterientheater mit Momenten der Entspannung - etwa wenn zum Essen gerufen wird. Mit anschließendem Digestiv oder einer Zigarette. Profane Momente in einer ritualisierten, mysteriösen Welt. Passend kalt sind die perfekt kadrierten, gern symmetrisch komponierten Tableaus von Kameramann Stéphane Fontaine („Jackie - Die First Lady“), entsprechend dem Ambiente, in dem Marmor und Stein dominieren. Schwarz, Grau, Silber - mit dem leuchtend roten und purpurnen Kardinalgewändern als Kontrast. All das wird perfekt untermalt vom unheilvollen, Geige-dominiertem Klassikscore von Volker Bertelmann („The Crow“).

Klaustrophobischer Grusel, verankert im Hier und Jetzt. Das nutzt der Filmemacher geschickt, um brisante aktuelle Themen wie Missbrauch, Ausbeutung oder die fehlende Gleichstellung der Geschlechter anzusprechen. Zu letztgenanntem Punkt kommt Isabelle Rossellini als Schwester Agnes ins Spiel, die in einer fulminanten Szene den Herren der Schöpfung die Leviten liest. Allein ihr Auftritt ist die Kinokarte wert - abgesehen davon, dass diese Nabelschau bei den Academy Awards wohl kräftig mitmischen dürfe.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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